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Totenruhe

Totenruhe

Titel: Totenruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jörg Hennecke
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aber. Stokelfranz restauriert gerade die Grabstätte der Familie Cordes. Und stellen Sie sich vor: Genau das besagte Kreuz fand er auf der fast unzugänglichen Rückseite des Engels am Grabmal.« Lindemann tippte mit dem Zeigefinger auf das Kreuz des Bierdeckels. Sauerbier deutete Sprachlosigkeit an, formulierte beim Erscheinen der Bedienung nur noch knapp: »Zwei Wodka«.
    Als die übrigen Stammtischbrüder erschienen, fielen Sauerbier und Lindemann durch betretene Schweigsamkeit auf. Um die Meute abzulenken, las Sauerbier schließlich noch einmal kommentarlos die altersschweren Gedanken eines Herrn Ferguson aus dem »Kicker« vor.
    Er schloss mit den bedeutenden Worten: »Der Mensch, vom Weibe geboren, lebt kurze Zeit und ist voll Unruhe.«
    »Das stand nicht im Kicker …« Sauerbier unterbrach schnell den vorlauten Einwurf. »Hiob 14, Vers 1«.
    Der Stammtisch hatte sein Thema.
     

13.
     
    »Ermittler in Priesterrobe ersetzen nicht die Polizei«. Der Vorsitzende der Polizei-Gewerkschaft hatte es verkündet und damit auch Pastor Sauerbier hinreichend verärgert. Ohne den speziellen Zusammenhang der Aussage zu beachten, polterte der über uniformierte Arroganz und erwog eine Protestnote an seine zuständige Beamtin, was er aber gleich wieder verwarf, als er sich diese vor sein geistiges Auge rückte. Unter deren Blick konnten Blumen verwelken und Mülltüten platzen, vermutete er kleinlaut. Dann klingelte das Telefon. Robert Humdorf war dran. Man sollte doch mal wieder, man könnte vielleicht ein Bier … und ob er den Artikel über Cordes im Lindenkurier gelesen habe. Nein? Dann solle er das schleunigst tun. Im Übrigen sei das Wetter so schön, dass man sich am besten im Turmgarten auf dem Berg treffen sollte. Außerdem sei man da nahe am Tatort, wenn das der richtige Begriff sei.
    Frisch auf zur Tat, der Ort wird sich noch finden, dachte Sauerbier und sagte spontan zu. Zur letzten Tasse Kaffee dieses Tages legte er sich den Lindenkurier . Der Artikel über Cordes regte seine Phantasie an. Ein Schatz auf dem Friedhof? Und gar ein Nazi-Schatz? Gab es da nicht atemberaubende Geschichten über Schätze, die von den Nazis 1945 in abgelegenen Bergseen versenkt wurden und die niemand wiederfand? Niemand wiederfand …, wiederholte er seinen Gedanken. Niemand wiederfand? Vermutlich waren die Schätze längst gefunden, von Eingeweihten klammheimlich angeeignet – nur das prickelnde Rätsel nach den Millionenwerten blieb in der Welt. Ewig währt am längsten, er wusste es doch. Dann stieß Sauerbier auf den Namen des angeblichen Zeugen. Karl Preul. Moment mal, Karl Preul, das war doch wohl der große Unbekannte in der spannenden Geschichte seines neuen Freundes Humdorf. Das konnte kein Zufall sein. Preul hieß doch nicht jeder Schmidt und Meier, so ein Name hatte Seltenheitswert. Den kannten nicht einmal Leute, die unsere ganze Welt bereist hatten und jede Riesen-Schlange am Amazonas namentlich begrüßten.
    »Verflixt, Karl Preul«, zischte er und faltete die Zeitung zusammen.
    Die neueste Information steigerte das Tempo des Pastors enorm. Einigermaßen außer Atem kam er im Turmgarten an, wo Humdorf zwei Bier hütete. Eines schob er Sauerbier zu und bemerkte süffisant: »Sehen Sie, ich wusste genau, wie schnell Sie der Name Preul auf den Berg treiben würde.«
    Übergangslos kam die Frage des Pastors: »Stimmt das, was da im Lindenkurier steht?« Humdorf machte eine ausschweifende Geste. »Das weiß ich im Einzelnen auch nicht. Sagen wir mal so: Es könnte durchaus stimmen. In einem seiner Texte hat Preul darüber geschrieben. Ich habe ihn für Sie mitgebracht. Wenn Sie lesen wollen?«
    Sauerbier wollte lesen. Gierig sog er die Worte ein, die da auf vergilbtem Papier standen:
    »Heute noch auf hohen Rossen, morgen durch die Brust geschossen. Du und mancher Kamerad. Während der Führer den Endkampf um die Reichshauptstadt organisiert und den Einsatz der Wunderwaffen vorbereitet, bringt Wehrwirtschaftsführer SS Eduard Cordes sein persönliches Schäflein ins Trockene. Zusammengerafft in Zeiten deutscher Größe, privat angeeignet wird nun sichergestellt, was weder den Alliierten noch marodierenden Banden in die Hände fallen soll. Ein Friedhof scheint der prädestinierte Ort zu sein, die Vergangenheit zu begraben oder zu verstecken, denn Auferstehung ist gewiss. Nicht wahr Parteigenosse Cordes? Wenn der Grabeakt getan ist, gibt es keinen Parteigenossen Cordes mehr und auch keinen Reichtum. Eines ist sicher: Leute

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