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Totenruhe

Totenruhe

Titel: Totenruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jörg Hennecke
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uns leuchtet, unsere Herzen erwärmt, und doch auch von anderen gesehen werden kann. Jesus sagt im Johannesevangelium: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben. Bevor wir uns nun mit unseren kleinen Lichtern wieder in der Dunkelheit aufmachen, loben wir unseren Gott mit dem Lied, das wir alle kennen: Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren. Amen.«
    Sauerbier griff Lindemann am Arm. »Lassen Sie uns schnell abrücken, sonst verpflichten uns die schwarzen Witwen noch zu mitternächtlichem Kaffee und Kuchen. Im Übrigen reicht hier ein Pastor, finden Sie nicht auch?«
    Die beiden erreichten den Ausgang, ehe sich die Gruppe der alten Damen in Bewegung setzte. Dennoch waren sie nicht die ersten an der schmiedeeisernen Gittertür. Eine jüngere Dame stand dort, als müsste sie Wache halten. Sie trug eine blaue Uniform mit roten Kragenspiegeln und präsentierte ein Pappschild. ›Hebe dich hinfort, Satan.‹ Sauerbier stieß Lindemann an. Der schaute fragend. »Was sagen Sie, Lindemann?« »Was soll ich sagen? Es wird nachts doch recht kühl.« Sauerbier suchte in seinem Innersten einen Mechanismus, mit dem er Unpassendes verdrängen könnte. Er fand ihn nicht, aber es beschäftigte ihn so intensiv, dass er die junge Frau schnell vergaß. »Ist der Turmgarten noch geöffnet? Schauen wir einfach mal nach.«
     

24.
     
    »Lindemann, es ist so traurig. Ich war gestern bei Ihrem Herrn Vater, er liegt vermutlich im Sterben«. Pastor Sauerbier war untröstlich. Lindemann winkte unwillig ab. »Unsinn. Ich war heute bei ihm, der lebt noch manchen Monat.«
    Sauerbier schaute den Freund sorgenvoll an. »Ja, haben sie denn den Kater nicht gesehen?« »Nein, da war kein Kater. Nicht mal mein Vater hatte einen.«
    Sauerbier wurde eifrig. »Ich habe es in der Zeitung gelesen, in einer seriösen überregionalen Zeitung, Tiere können Hellsehen.«
    »Ein Pastor in den Fängen des Aberglaubens, wie neckisch.« Lindemann amüsierte sich.
    »Nein, der Herrgott verteilt zuweilen Fähigkeiten, die uns staunen lassen.
    Also, da wurde über einen Kater in Amerika berichtet, der den Tod von Bewohnern eines Pflegeheims voraussieht. Der hat die besondere Fähigkeit. Er zeigt sie, indem er sich in deren letzten Lebensstunden neben sie legt. Mehr als 20 mal hat er richtig gelegen.
    Der Kater lebt in dem Pflegeheim. Das Personal ist inzwischen angewiesen, Angehörige zu informieren, wenn sich der Kater zu einem Patienten gelegt hat. Nach allen Erfahrungen hat der dann nur noch wenige Stunden zu leben. Das hat sogar ein Arzt in einer medizinischen Fachzeitschrift bestätigt. Die Angehörigen finden Trost darin, dass ein Tier ihrem sterbenden Familienmitglied Gesellschaft leistet, meint der Arzt.
    Der Kater wurde als Kätzchen adoptiert und wuchs in der Abteilung für Demenzkranke des Pflegeheims auf. Irgendwann fiel den Pflegerinnen auf, dass der Kater im Heim seine eigenen Runden machte, genauso wie Ärzte und Krankenschwestern. Er riecht an Patienten und beobachtet sie und setzt sich dann neben Menschen, die in den nächsten Stunden sterben werden. Das könne der Kater besser vorhersagen als die Menschen, die in dem Pflegeheim arbeiten.
    Und im Ihmestrand haben sie auch einen Kater, der ist ihnen zugelaufen und die Alten lieben ihn, streicheln ihn, füttern ihn. Damit hat er sich ein Zuhause geschaffen. Gestern saß der Kater bei Ihrem Herrn Vater im Bett.«
    Lindemann wurde unwillig. »Der Alte wird ihm eine Salamischeibe von seinem Abendbrot gegeben haben. Außerdem zieht es alle Katzen zu den Dosenöffnern. Und die sterben dann tatsächlich, manche aber erst nach fünfzig Jahren.«
    »Sie sollten die Zeichen ernster nehmen.«
    »So? Kleines Geheimnis, Herr Pastor. Menschen im Alter meines Vaters sterben manchmal plötzlich und schnell. Sie müssten das eigentlich wissen.«
    Sauerbier wechselte das Thema. »Ich habe eine Information von der Polizei. Stoll war so gnädig. Also: Auf der Schnapsflasche von Karl Preul sind keine Fingerabdrücke.« Lindemann schaute verständnislos. »Das ist ja eine Weltsensation. Wessen Fingerabdrücke hatten Sie denn erwartet?« »Na, wenigstens die von Preul. Oder können Sie mir sagen, wie man Schnaps freihändig trinkt?« Langsam wurde Lindemann die Bedeutung der Information klar. »Preul hat sie nach dem Trinken abgewischt«, schlug er als Lösung des Problems vor. Sauerbier nickte vorwurfsvoll. »Klar, das ist bei

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