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Totenruhe - Bleikammer - Phantom

Totenruhe - Bleikammer - Phantom

Titel: Totenruhe - Bleikammer - Phantom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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hinter dem Haus.
    „Ich kann mir nur vorstellen, dass die Käfer die Leiche hinausgeschafft haben“, sagte Samuel. „Sicher nicht am Stück. Wahrscheinlich haben sie die morschen Knochen in winzige Brocken zerlegt.“
    „Was sollten sie mit den Knochen anfangen?“
    „Vielleicht haben sie sie verzehrt oder – was ich vermute – überall in der Wiese vergraben.“
    „So ein Irrsinn!“
    „Nein, im Gegenteil“, meinte Samuel. „Es ist eine erstaunlich logische, nüchterne Tat für ein Gespenst. Lorenz muss unser Gespräch belauscht haben. Vielleicht liest er auch unsere Gedanken. Jedenfalls konnte er sich mit der Vorstellung nicht anfreunden, in ein Grab gelegt zu werden.“
    „Warum denn nicht? Dann hätte er doch seine Ruhe gefunden. Ist es nicht Ruhe, was er sich wünscht?“
    Samuel grinste verschämt. „Überleg mal. Wenn du zwischen dem Frieden wählen könntest, den Charmaines Berührungen dir geben, und dem Frieden, den du erlangst, wenn du dir eine Kugel durch den Kopf jagst – welche von beiden Arten des Friedens würdest du wählen?“
    Konrad ballte voll ohnmächtiger Wut die Fäuste. „Verdammt!“, brüllte er.
    Der Geist des Barons hatte ihm ein Schnippchen geschlagen. So formuliert klang es beinahe harmlos. Was es wirklich bedeutete, war alles andere als harmlos: Lorenz von Adlerbrunn besaß eine grenzenlose Macht über alles, was sich in diesem Schloss regte. Charmaine war nur noch für ihn da, Trösterin für ein zerrissenes, dunkles Geschöpf, das sich nicht erlösen lassen würde.
    Die Zukunft sah finster aus.

    ENDE DER EPISODE

    - - - - - - -

Nr. 46 -

Das Geheimnis der Bleikammer

1
    In der Lobby waren zwei ältere Männer mit dem Installieren einer neuen Beleuchtung zugange. Aus verchromten Armaturen sahen Birnchen hervor, und noch während ich mich im Halbdunkel bei der dünnen Blondierten an der Rezeption anmeldete, wurde der Strom probeweise eingeschaltet. Ich war überrascht über die Helligkeit dieser modernen Illumination. Sie schien bis in den letzten Winkel der großen Halle zu reichen. Unwillkürlich kniffen wir die Augen zusammen und blickten uns geblendet entgegen.
    „Fünf… fünfzehnter Stock, Personalabteilung, Herr Inoue“, gab sie Auskunft, und ihre Stimme klang gequält, als bereite ihr das Licht körperliche Schmerzen. Ich verstand, dass sie den ganzen düsteren, verregneten Morgen lang in diesem Dämmerlicht gearbeitet haben musste. Papiere mit winzigen Schriftzeichen lagen vor ihr, die sie zweifellos alle gelesen hatte. Vielleicht war die Dame zu schüchtern, um nach einer Lampe zu fragen.
    Ihr Computer war abgeschaltet, vermutlich galt das für die gesamte Stromversorgung in diesem Raum. Auch die automatische Tür am Eingang war außer Betrieb gewesen, die Glashälften hatten offen gestanden. Draußen tobten die letzten Ausläufer eines Taifuns, der Wind hatte nachgelassen, der Regen nicht, es war auch jetzt um elf Uhr noch nicht richtig Tag geworden, und obwohl ich einen großen Schirm bei mir trug, war mein Anzug an den Hosenbeinen und an den Ärmeln klatschnass.
    Durch die gleißende Helligkeit hindurch bahnte ich mir den Weg zum Fahrstuhl, doch kurz bevor ich ihn erreicht hatte, erlosch das Licht in der Halle. Die Lifttüren, die eben noch von einem edlen metallischen Schimmer geziert worden waren, wirkten plötzlich stumpf und abweisend. Die Männer, die die Beleuchtung einbauten, hatten ihren ersten Test beendet und den Strom wieder abgeschaltet, um weiterarbeiten zu können. Nachdem ich den Knopf zum Anfordern des Aufzugs gefunden und gedrückt hatte, warf ich noch einen Blick hinter mich. Die Lobby hatte sich wieder in einen finsteren Ort verwandelt, die Frau an der Rezeption starrte hilflos auf die Dokumente, die vor ihr lagen. Noch immer hingen Kabel von der Decke herab.
    Es gibt wohl wenige Leute, die sich in einer solchen Situation nicht gefragt hätten, ob es wirklich sicher sei, mit dem Aufzug zu fahren. Ich jedenfalls zögerte etwas mit dem Betreten, doch im Inneren der geräumigen Kabine brannte warmes Licht, ohne zu flackern. Der Fahrstuhl war leer, ich trat ein, drückte die Fünfzehn (den zweiten Knopf von oben) und verfolgte nicht ohne Erleichterung, wie die Türen weich zuglitten und sich die Kabine sanft in Bewegung setzte. Leise Klaviermusik lief an, die Luft war sehr gut – keine störenden Gerüche. Eine Klimaanlage blies von oben lautlos frische Luft zu mir herab. Es war ein Fahrstuhl, in dem man sich wohlfühlen konnte. Im

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