Totenruhe
klein wenig nach. Er warf sich gerade zum zweiten Mal gegen die Tür, als Lefebvre herbeigelaufen kam und ihn fragte, was zum Teufel er da treibe. Die Tür sprang auf. Er schob das, was von ihr übrig war, beiseite und betrat das Haus.
Zügig schritt er im Erdgeschoss von einem Zimmer ins andere und rief Irenes Namen. Der Mond schien zu den Fenstern herein und spendete in den meisten Räumen genügend Licht. Wo das nicht ausreichte, benutzte er seine Taschenlampe. Lefebvre war ihm gefolgt und tat es ihm gleich. Sie trafen sich am Fuß der Treppe. »Sehen wir uns mal oben um«, sagte Lefebvre und beleuchtete die Stufen, »und dann verhafte ich Sie vielleicht wegen …«
Lefebvre packte O’Connor am Ärmel, als dieser auf die erste Stufe treten wollte, und zog ihn zurück. »Warten Sie«, sagte er und bückte sich zur Treppe hinab.
Nun sah O’Connor, was Lefebvre musterte. Blut. Ein großer Fleck auf der linken Seite der Stufe und ein zweiter am Geländer direkt darüber.
»Oh Gott …«, stieß O’Connor hervor. »Oh Gott.«
Lefebvre gab sich ungerührt. Erneut benutzte er sein Funkgerät, forderte Verstärkung und die Spurensicherung an und sagte, man solle einen Krankenwagen bereithalten. Er erklärte, dass es im Haus keinen Strom gab und man einen tragbaren Generator mitbringen solle.
Ungeduldig versuchte O’Connor, sich von ihm loszumachen und die Treppe hinaufzustürmen, doch Lefebvre hielt ihn fest.
»Hören Sie mir zu!«, sagte der Detective gebieterisch, aber ruhig. »Wir gehen jetzt da rauf, aber berühren Sie das Geländer nicht und betreten Sie jede Stufe nur am rechten Rand. Ich gehe voraus - versuchen Sie, in meine Fußstapfen zu treten. Passen Sie auf, dass Sie mit Ihren Quadratlatschen nicht auf irgendwelche Spuren trampeln.« Mit leiserer Stimme fügte er hinzu: »Halten Sie Ihre Taschenlampe weg vom Körper, falls wir nicht die einzigen ungeladenen Besucher sind, okay?«
Lefebvres Gelassenheit beruhigte O’Connor und zwang ihn, die eigene wiederzufinden.
Lefebvre musterte ihn und erklärte dann: »Nichts kommt in die Zeitung, es sei denn, ich sage es ausdrücklich, oder ich lege Ihnen gleich jetzt Handschellen an, und wir warten auf einen Streifenwagen.«
»Glauben Sie auch nur einen Moment lang, dass mir die Scheiß-Titelseite wichtiger ist als Irene?«, fragte O’Connor empört.
»Vielleicht fließt in Ihren Adern ja Tinte, O’Connor, wie bei manchen Ihrer Freunde bei der Zeitung.«
»Genauso wenig, wie Sie uniformblaues Blut haben.«
Lefebvre lächelte. »In Ordnung. Hauptsache, wir verstehen uns.« Er zog seine Pistole und begann, die Treppe hinaufzusteigen. O’Connor konzentrierte sich darauf, genau dorthin zu treten, wohin Lefebvre getreten war, er sah die rotbraunen Flecken, denen sie auswichen, und sagte sich dabei die ganze
Zeit, dass es eigentlich gar nicht so viel Blut war, vielleicht nicht mehr, als aus einer kleinen Schnittwunde fließen würde.
Dann streifte der Strahl aus Lefebvres Taschenlampe einen Blutfleck an der Wand im Flur. Viel mehr Blut, als sie bisher gesehen hatten. Der Fleck war hoch oben, etwa auf Taillenhöhe eines Mannes. »Ich glaube, da ist jemand getragen worden«, sagte Lefebvre leise. »Und zwar nicht besonders vorsichtig.«
Sie bogen um die Ecke. Dieser Teil des Flurs war wesentlich dunkler als der Rest des Hauses. Mondlicht schien durch eine offene Tür ganz am Ende des Korridors. Lefebvre blieb ziemlich lange stehen und lauschte. Langsam, zögerlich und indem sie vorsichtig eine Tür nach der anderen aufmachten, schlichen sie den Flur entlang. Sie hörten, wie unten Streifenwagen vorfuhren und Autotüren aufgingen.
Lefebvre rief seinen Kollegen einmal etwas zu, um ihnen mitzuteilen, dass O’Connor bei ihm sei und sie darauf achten sollten, nicht auf die Blutflecken auf der Treppe zu treten, doch anschließend setzte er seine systematische Kontrolle sämtlicher Räume fort.
Zwei Beamte schlossen sich ihnen an. Sie hatten starke tragbare Lampen dabei, mit denen sie den Flur ausleuchteten. Mit dem zusätzlichen Licht und weiteren Leuten, die die Räume durchsuchen konnten, kamen sie schneller voran. Lefebvre bemerkte ein paar undeutliche, blutige Schuhabdrücke und warnte die anderen erneut davor, darauf oder auf Blutstropfen auf dem Fußboden zu treten.
Alle Räume waren leer und von geringem Interesse für sie, bis auf den letzten - den offenen.
Auch er war leer, doch die hellen Lampen beleuchteten mehrere große Blutflecken auf dem
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