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Totenstadt

Totenstadt

Titel: Totenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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nicht so, dass er nicht für sie da gewesen wäre, so kleinlich wollte sie nicht sein, aber er war auch nicht wirklich bei der Sache gewesen, und so hatte keiner wirklich etwas davon.
    »Rede mit mir«, sagte sie.
    Seine übliche Schweigsamkeit, während er überlegte, was sie damit meinen könne. Was sie hören wollte. Er wich ihr nie einfach so aus, das war am Zucken seiner Muskeln an Rücken und Schultern zu erkennen. Er sammelte seine Kräfte – wie in diesem Fall, was sowohl liebenswert als auch aufreizend war. Wo kam das überhaupt her: War es ein Standardverhalten von Männern und Frauen und nichts Persönliches? Oder noch immer ein wenig Misstrauen, das zwischen ihnen bestand?
    »Okay«, sagte er. »Gib ein Thema vor.«
    »Wie wäre es mit Reisen …? Wo warst du vorhin? Du hättest mich ruhig mitnehmen können.«
    Stille, langes Schweigen. Geduld würde belohnt werden. Dass er selten dazu neigte, das Offensichtliche zu leugnen, ersparte ihr bei diesen Unterhaltungen viel Kummer. Zumindest ihrer Erfahrung nach kam das nur selten vor. Was ist los? Ach, nichts. Eine solche Unterhaltung führten sie nie, und das galt für beide Richtungen. Sie hatten zu großen Respekt für die Einsicht des anderen, und sie fand, dass sie sich deswegen glücklich schätzen konnten.
    »Kingston und Gray, Limited«, murmelte er schließlich leise, und in seiner Stimme schwang eine stille Melancholie. »Erinnerst du dich noch an diese Idee?«
    Oh ja. Oh ja. Natürlich. Ein halbherziger Vorschlag, dass sie ihre Talente zusammentun könnten, der vor langer Zeit über rohen Austern und Bier erfolgt war, am Abend ihrer ersten richtigen Verabredung. Und Erik … er ist in dieser Nacht gestorben. Danach war nichts mehr annähernd so gewesen wie zuvor, und sie hatten diese Idee nie wieder erwähnt. Nicht einmal dann, als sie Justin von den Keys zurückgeholt hatte, der zu diesem Zeitpunkt nicht viel mehr als einen Sonnenbrand, einen stumpfen Rasierer und vierhundert Dollar besaß.
    »Sicher erinnere ich mich.« April griff zu ihm hinüber, fand seine Hand und schlang ihre Finger locker um die seinen. »Wie kommt’s?«
    »Ich weiß es nicht. Ich wollte wohl … einfach nur hören, dass du dich daran erinnerst.«
    Nun, dies hing also offenbar mit seiner Karriere zusammen. Justins Benehmen war seit dem Moment, in dem sein Werbespot an diesem Abend zum ersten Mal über den Äther gegangen war, immer zurückhaltender geworden. Seine freudige Erregung hätte sehr viel länger anhalten müssen. Aber angesichts der vergangenen Wochen kam dies nicht gerade überraschend. Seitdem ihn dieser Auftrag in den Schoß gefallen war, hatte es Augenblicke gegeben, in denen ihn das Gefühl überkam, er säße auf einem Rad, das er nicht länger unter Kontrolle hatte. Und das hing nicht mit der beschleunigten Produktionsgeschwindigkeit zusammen. Vielleicht hatte es jedoch auch etwas Gutes gehabt und ihn so von seinen Sorgen abgelenkt, bis die Aufgabe beendet war.
    Und April fragte sich: Wie musste es sein, etwas, das man selbst erschaffen hat, im nationalen Fernsehen zu sehen, etwas, für das einen jeder, der auch nur entfernt damit zu tun hatte, mit Lob überhäufte … während man selbst schon längst so weit ist, dass man es nicht mehr ausstehen kann?
    Ihre Therapeutin hatte recht: Wir sind alle sehr geübt darin, uns unsere eigene persönliche Hölle zu erschaffen.
    »Wie viel willst du genau loswerden?«, wollte sie wissen. »Nur den Auftrag … oder die ganze Agentur?«
    Sein Knurren klang alt und schwach. »Ich kann nicht einmal mehr darüber nachdenken. Es ist einfach zu seltsam, zu diesem Lebensstil zurückzukehren. Ich dachte, ich könnte es tun, dieselben Machtspielchen erneut spielen … und es gefällt mir wirklich, was passiert ist, aber … wenn es abflacht, dann ist das alles, was in den nächsten vierzig Jahren auf mich zukommt … und dann denke ich: Was, zum Teufel, mache ich wieder hier? April …? Habe ich denn im letzten Jahr gar nichts gelernt?«
    »Worüber?«
    »Über mich.«
    Wie würde ihre Therapeutin damit umgehen? April hatte in solchen Momenten einer Minikrise einiges aufgeschnappt und wusste halbwegs, worauf man sich konzentrieren und was man ignorieren musste. Man musste dabei ausgesprochen vorsichtig vorgehen, aber die Tatsache trieb sie fast in den Wahnsinn, dass sie diesen Mann liebte und besser kannte als jeden anderen. Wie es nur jemand konnte, der beide Extreme gesehen hatte.
    »Vielleicht hast du mehr gelernt, als du

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