Totenstadt
er am Wagen eines Lucky-Dog-Straßenhändlers gekauft hatte. Er ging an der Exchange Alley vorbei und hielt am Rand einer kleinen Menschenansammlung, die sich ein Schauspiel ansah, das sich soeben zutrug.
Zwei Frauen im Rentenalter, die einander offenbar nicht kannten und beide so stämmig wie Feuermelder waren, hatten ihre Hunde ausgeführt, fellige kleine Bestien mit von Modeschmucksteinen besetzten Halsbändern, die sie an kurzen Leinen führten. Einer war ein Wischmopp von Pekinese, der andere ein schlecht geschorener Terrier. Nur der Übermut eines zu Streichen aufgelegten Gottes der Missgunst konnte sie zueinandergeführt und jedem Hund einen derart glühenden Hass auf den anderen eingeflößt haben.
Sie gingen wie schnaufende kleine Gladiatoren aufeinander los, knurrten asthmatisch und schlugen mit den Pfoten auf den anderen ein. Die beiden Frauen krähten so laut sie konnten, aber es gelang ihnen nicht, die Hunde zu trennen, und so blieb ihnen nichts anderes übrig, als ebenfalls ins Geschehen einzugreifen. Die eine schlug der anderen mit voller Kraft den Schirm gegen den Schädel, woraufhin sie selbst zu Boden fiel, nachdem sich eine Leine um ihre Knöchel gewickelt hatte. Ihre hellroten Pumps wackelten in der Luft, während die kläffenden Hunde ihren Kampf auf ihrem wogenden Bauch fortsetzten.
Vielleicht sollte jemand etwas unternehmen, dachte Napolean, aber diese Empfindung war rein hypothetisch, was ihm durchaus klar war. Er lachte ebenso laut wie alle anderen.
Aber aus diesem Grund sah er es nicht mal kommen. Ein Arm, das war alles. Ein Arm, der sich sehr schnell bewegte, und Napolean wusste nicht einmal, was ihn getroffen hatte. Er taumelte rückwärts einige Schritte in die Alley und hielt sich eine Hand vor das Auge, als der Arm zurückkam, und dieses Mal sah er zumindest auch den untersetzten Kerl in Jacke und mit Dreitagebart, aber dann schloss sich auch schon sein zweites Auge. Er wurde gegen die Ziegelsteine geschleudert, dann wühlte jemand in seinen Taschen herum und leerte sie gewaltsam. Seine CDs fielen hinunter – er hörte sie und fragte sich, wie weit entfernt sie liegen geblieben waren, als er spürte, wie man ihm seine Brieftasche wegnahm.
Er glitt zu Boden, während er blind versuchte, den Dieb zu fassen zu kriegen, und in einigen Schritten Entfernung hörte er das Gelächter des Pulks und das abgehackte Kläffen des Hundes, dem sein Halsband viel zu eng war. Niemand hatte ihn überhaupt bemerkt, und falls doch, so war es ihnen egal. Jetzt hatte er kein Geld mehr und würde verhungern. Er konnte nicht einmal etwas sehen, beide Augen tränten und pochten. Da er ohnehin reichlich dünnhäutig war, weinte er nun bittere Tränen. Er tastete nach seinen CDs und fand sie auf dem Boden verteilt herumliegen; er drückte sie an seine Brust, während er zurück zur Ziegelsteinmauer rutschte. Sollte irgendjemand versuchen, ihm die auch noch wegzunehmen, so würde er demjenigen die Hand am Gelenk abbeißen.
Dann saß er weinend da. Er versuchte, die Tränen zu unterdrücken, während sich die Welt um ihn herum weiterdrehte. Allein seine Schultern hätten ihn verraten können. Er biss sich in den Daumen und taumelte, dann biss er fester zu und ließ nicht mehr los. Um wieder klar denken zu können, war sein Daumen genauso real wie seine Qualen.
»Na, Süßer, wenn du nicht das Traurigste bist, was ich diese Woche zu sehen bekommen habe!«
Eine Stimme irgendwo vor ihm, sehr nahe. Napolean hob den Kopf und versuchte, die Augen zu öffnen. Die Lider glitten einige Millimeter auseinander, und seine Sicht wurde von einem verschwommenen rötlichen Nebel überschattet.
»Ich war auf der anderen Straßenseite, da habe ich gesehen, was er dir angetan hat«, sagte die Stimme und schien zu ihm herunterzukommen. »Gott sei mein Zeuge, ich habe versucht wegzugehen und einen halben Block geschafft, aber ich konnte es nicht. Du sitzt da wie ein nasses Hündchen, das jemand ziemlich übel getreten hat. Bist du ein Narr? Hast du nicht mehr Verstand, als mit ausgebeulten Taschen herumzulaufen? Ich habe dich schon vor zwei Nächten gesehen, da sahst du genauso aus, und es ist fast ein Wunder, dass du auf Straßen wie diesen nicht schon vorher einen übergebraten bekommen hast.«
Die Stimme war das Erste, was ihm auffiel, es war, als habe sie als Männerstimme begonnen und würde nun dank jahrelanger Übung als passable Imitation einer Frauenstimme durchgehen. Er sah genauer hin: Der Mensch war groß und
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