Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totenstadt

Totenstadt

Titel: Totenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
Vom Netzwerk:
Unterlippe. Justin stellte den Stuhl wieder hin und begann, die Gürtel zu entfernen. April kam wortlos zu ihm und half ihm dabei. Dann löste sie das Geschirrhandtuch, das noch um Todds Hals lag, und er war frei. Nass und frei. Und er bewegte sich nicht. Er war erschüttert. Als habe sich alles, an das er geglaubt hatte, als Lüge herausgestellt.
    Und das Mitleid schlich sich in Justins Herz, obwohl er am liebsten nicht darauf geachtet hätte. Keine Schwäche. Er hatte Todd doch Angst einjagen wollen? Möglicherweise war ihm das gelungen. Es war sehr wichtig, die Oberhand zu gewinnen.
    Justin packte ihn an der Schulter und zog ihn hoch. Er führte ihn einige Schritte auf die Tür zu, dann drückte er ihn gegen die Wand, und Todd protestierte nicht einmal. Justin ging zurück zum Küchentresen und holte einen Filzstift aus der Schublade. Er schrieb die Zahl 3 auf Todds glatte Stirn.
    Dann führte er Todd die Treppe hinunter und nach draußen, bis sie auf der Straße standen. Um diese Uhrzeit war kaum Verkehr auf der Kennedy. Über ihnen lag der Nachthimmel voller dicker Wolken, und die Palmen warfen im Licht der Straßenlaternen schaurige Schatten auf den Gehweg.
    Als er in das Herz der Nacht blickte, unter den Füßen den Beton und Kies … da brachte ihn das in eine andere Zeit zurück, vor einem Jahr, als die Tage mit einem eigenen Feuer brannten und die Nächte so glühend waren wie seine Seele. Dies waren dieselben Straßen, aber es war eine kältere Jahreszeit, und in gewisser Weise vermisste er die reine Einfachheit des Feuers.
    Justin hätte nie gedacht, dass er dieses Bild von sich jemals wieder beleben musste, das jene von ihm hatten, die ihm in jener Zeit begegnet waren. Aber es war da, zum Greifen nah, und das war es schon immer gewesen. Ihre Karrieren hatten sie zumindest das eine gelehrt: Der Trick beim Lügen war allein die Überzeugung.
    Hoffte er, aus Todd einen grauenerregenden Gläubigen machen zu können, und was wäre in diesem Fall der Preis für seinen Erfolg?
    Er packte Todds Schulter und zwang ihn, anzuhalten. Er sah ihm direkt in die Augen und wandte den Blick auch nicht ab.
    »Du wirst morgen wahrscheinlich mit Mullavey reden«, sagte Justin. »Und du wirst ihm sagen, dass die Diskette nicht da war. Du hast überall gesucht, aber die Diskette war nicht da. Du hast meine Sachen durchsucht, und da war die Diskette auch nicht. Du wirst keinem Menschen ein Wort von dem sagen, was heute Nacht zwischen uns vorgefallen ist. Wenn dich jemand nach deinem Gesicht fragt, dann sagst du, du wärst betrunken gestürzt.«
    Todd blinzelte, und er war irritiert genug, um zu erkennen, dass er noch am Leben war.
    »Weißt du, was letztes Jahr passiert ist?«, fuhr Justin fort. »Ich habe zwei Typen getötet. Ich bin nicht stolz darauf, aber ich habe es getan. Das Wichtigste, und das musst du dir unbedingt merken, ist, dass ich für keinen davon auch nur eine Minute im Knast gesessen habe. Wenn du mich also bei Mullavey verpfeifst oder jemand anders das tut … nun, du weißt ja, was man sagt. Nach dem Ersten … wird es immer einfacher.« Er klopfte Todd auf die Wange, zärtlich, fast brüderlich. »Wenn du also zu deinem Wagen zurückgelaufen und nach Hause gefahren bist und dir in deinem Bad die Drei von der Stirn schrubbst, dann denk an mich. Du musst nichts weiter tun als unser Geheimnis zu bewahren … Geh nach Hause.«
    Er folgte Todd bis zur nächsten Kreuzung und blieb dann unter der Straßenlaterne stehen, um ihm zuzusehen, wie er weiter in Richtung Osten trottete, auf die Innenstadt zu, und immer weiter in die Straßenschluchten marschierte. Nach zwei Blocks drehte sich Todd um, nur ganz kurz, und Justin stand noch immer unter der Laterne.
    Er stand dort, bis Todd verschwunden war.
    Es gelang ihm, sein Zittern weitgehend zu unterdrücken, bis er an der Treppe angelangt war.

17
A RCHIVE
     
    April war am nächsten Morgen zuerst wach. Justin schlief noch tief und fest, und sie setzte sich auf die Bettkante, um ihn einige Augenblicke lang anzusehen.
    Sie berührte sein Haar, das an diesem Morgen nicht so zerzaust war wie sonst häufig, es war, als habe er sich im Schlaf nicht so viel bewegt und sehr viel fester geschlafen als sonst. Sie dachte, dass wahrscheinlich viele problematische Ehen gerettet werden könnten, wenn sich die Ehepartner die Zeit nehmen würden, den anderen im Schlaf zu beobachten und so die Überreste der Unschuld zu sehen und seine Verletzlichkeit zu respektieren.
    »Es tut mir

Weitere Kostenlose Bücher