Totenstätte
Diamantstecker blitzte.
Sie standen um das leere Kühlfach herum, als könnte es ihnen einen Anhaltspunkt liefern. »Woher wissen Sie, welcher Tote wer ist?«, fragte Murphy.
»Sie haben alle einen Zettel am Zeh«, sagte Andy. »Und an der Tafel dort drüben wird dokumentiert, wo sich welche Leiche gerade befindet.«
»Ist es je zu Verwechslungen gekommen?«
»Keine Ahnung. Ich bin erst den vierten Tag hier.«
»Oh«, sagte Murphy und nickte, als könnte das den Vorfall erklären.
»Es geschieht sehr selten«, sagte Jenny. »Dr. Kerr geht mit ziemlicher Sicherheit davon aus, dass die Leiche über Nacht verschwunden ist. In der Zwischenzeit war kein Bestattungsunternehmer hier, der den Empfang einer Leiche bestätigt hat. Ich denke, wir dürfen annehmen, dass sie gestohlen wurde.«
»Haben Sie irgendeine Vorstellung, wer das getan haben könnte?«, fragte Murphy.
»Nicht im Geringsten«, sagte Jenny. »In der letzten Woche hatten wir ungefähr fünfundzwanzig Eltern hier, die alle ihre Tochter vermissen. Niemand hat die verschwundene Leiche identifiziert. Morgen sollten die nächsten Angehörigen kommen.«
»Und Sie haben keine Vorstellung, wer sie sein könnte?«
Andy schüttelte den Kopf.
»Die Familien wurden alle an ein Labor verwiesen, das DNA-Tests durchführt«, sagte Jenny.
»Mhm.« Murphy streckte den Fuß aus und schob das Fach mit seinem Turnschuh zu. »Gibt es Bilder von der Leiche?«
»Ich kann Ihnen welche mailen«, sagte Andy.
»Das wäre gut.« Der Kriminalmeister schaute in beide Richtungen den Flur entlang. »Was ist mit dem Mann, der hier aufpassen sollte?«
»Er ist um acht nach Hause gegangen. Gegen Mittag wird er wiederkommen, zur Reinigungsschicht.«
Murphy verzog das Gesicht, strich sich mit der Hand über den Mund und kratzte sich am Bart. »Was ist der Mann für ein Typ?«
»Laut Auskunft der anderen Mitarbeiter ist er sehr zuverlässig.«
Jenny ahnte, was kommen würde, und ersparte dem Polizisten die Mühe. »Falls Sie fragen wollen, ob er die Leiche in irgendeiner Weise missbraucht haben könnte: Das halte ich für sehr unwahrscheinlich. Die Augenhöhlen waren leer, ein Großteil des Unterleibs fehlte, und als ich zum letzten Mal hier war, roch sie auch nicht mehr gut. Wenn Sie sich umschauen möchten – es gäbe hier bedeutend attraktivere Optionen.«
»Das glaube ich Ihnen.« Er bedachte sie mit einem anzüglichen Grinsen. Seine Augen waren nach den Exzessen der letzten Nacht noch mit geplatzten Äderchen durchzogen. »Keine Kameras oder so, nehme ich an?«
»Hier nicht«, sagte Andy. »Nur im Foyer des Haupthauses und in der Wöchnerinnenstation. Es ist also ziemlich unwahrscheinlich, dass die Diebe an einer vorbeigekommen sind.«
»Möglicherweise gibt es auf der Straße welche. Wir sollten ein Team anfordern, um festzustellen, ob die Leichenräuber irgendwelche Spuren hinterlassen haben. Sind heute Morgen schon viele Leute hier durchgekommen?«
»Fünf oder sechs«, sagte Andy.
Murphy holte sein Handy aus der Tasche. »Mist. Kein Empfang. Wo ist Ihr Telefon?«
»Möchten Sie denn nicht mehr über die Leiche wissen?«, fragte Andy. »Beweisen kann ich es nicht, aber ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass die junge Frau umgebracht wurde.«
»Das machen wir alles später, wenn Sie Ihren Bericht schreiben.«
»Damit würde ich gerne jetzt beginnen. Ich habe noch einen anstrengenden Tag vor mir.«
Murphy senkte das Kinn und schaute ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Das glaube ich nicht, mein Freund. Sie stehen unter Tatverdacht.«
»Keine Ahnung, wie viel Sie gestern getrunken haben, Mr. Murphy«, sagte Jenny, »aber es ist sehr zu hoffen, dass Sie auf dem Weg hierher nicht am Steuer gesessen haben.«
Murphy öffnete den Mund zu einer Erwiderung, aber Jenny warf ihm einen scharfen Blick zu. »Und wenn Sie Dr. Kerr freundlich darum bitten, dann lässt er Sie vielleicht auch das Telefon in seinem Büro benutzen.«
Der Kriminalmeister schnaubte und schlurfte auf der Suche nach einem Funksignal davon.
»Meint der das ernst?«, fragte Andy. »Was sollte ich denn mit einer Leiche anfangen wollen?«
»Vergessen Sie es. Der hat noch einen Kater.«
Eine Weile später erschien Murphy am anderen Ende des Flurs und rief: »Wie heißt das Labor, das die DNA-Tests durchführt?«
Jenny verzichtete darauf, erneut eine bissige Bemerkung zu machen. Sie würde seinen Chef später bitten, ihm ein paar Manieren beizubringen. »Meditect. Sitzen draußen in
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