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Totenstätte

Totenstätte

Titel: Totenstätte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. R. Hall
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wollen?«
    »Dazu kann ich wirklich nichts sagen.«
    »Ich kann mir vorstellen, dass sich eine trauernde Mutter umbringt, weil sie dann wieder mit ihrem Kind vereint zu sein glaubt. Wäre das denkbar?«
    Mr. Jamal antwortete nicht.
    »War Ihre Exfrau religiös?«
    »Ja, sehr.«
    »Entschuldigen Sie mein Unwissen, aber gilt im islamischen Glauben Selbstmord nicht als Sünde?«
    »Ja«, sagte er leise.
    »Ich würde nicht erwarten, dass jemand, der kurz vor dem Selbstmord steht, logisch denkt, aber …«
    »Sie muss krank gewesen sein«, sagte er. Und dann stockend: »Sie muss sehr krank gewesen sein.«
    »Der Obduktionsbericht bestätigt, dass sie kurz vor ihrem Tod Whisky getrunken hat. Ziemlich viel sogar.«
    Mr. Jamal verstummte vollständig. Jenny hörte den Wind, der über den Lautsprecher seines Handys strich. Ein Auto fuhr vorbei.
    »Ich versuche mir nur einen Reim auf das Ganze zu machen. … Alkohol, Selbstmord? Selbst wenn man krank ist, sind bestimmte Tabus oft stärker. Sie war nicht psychotisch.«
    »Sie haben vollkommen recht, Mrs. Cooper«, sagte Mr. Jamal schwach. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Das ergibt alles keinen Sinn.«
    »Ich lasse Sie jetzt in Ruhe«, sagte Jenny. »Eine Frage habe ich aber noch: Hat Ihre Exfrau Ihnen je etwas über Nazims Verschwinden oder über seine Freunde erzählt? Etwas, von dem sie nicht wollte, dass es an die Öffentlichkeit gelangt?«
    »Nein, nichts. Aber das war es, was sie umgetrieben hat – ihr Wunsch zu wissen.«
    Die letzten Mitarbeiter des Spurensicherungsteams kamen aus dem Haus und stiegen in den Kleinbus. Ein Polizist wickelte die Plastikbänder auf, die Arbeit des Tages schien erledigt. Die Haustür wurde durch einen verkeilten Besen offen gehalten. Jenny trat ein und fuhr mit dem Fahrstuhl in das Stockwerk, in dem Mrs. Jamal gewohnt hatte. Inspektor Pironi und ein jüngerer Zivilpolizist mit spärlichen Bartstoppeln und strähnig zurückgegeltem Haar schlossen gerade die Wohnung ab.
    »Hallo«, sagte Jenny. »Was dagegen, wenn ich mich ein wenig umschaue?«
    Die Polizisten wechselten einen Blick. »Mrs. Cooper, der Coroner«, sagte Pironi zu seinem Untergebenen. »Aber vielleicht sollten wir sie lieber Mrs. Snooper nennen, wo sie doch so gerne überall herumschnüffelt.«
    Der junge Mann lächelte und musterte sie von oben bis unten. Ihm war deutlich anzusehen, was er dachte – ganz akzeptabel .
    »Haben Sie ein Problem damit?«, fuhr Jenny ihn an.
    Pironi schaute auf seine schicke Uhr und seufzte. »Wenn Sie sich dann aber bitte beeilen könnten.«
    »Okay, wenn ich eine rauche, Boss?«, fragte der Jüngere. Pironi bedeutete ihm zu verschwinden, zog einen Bund mit Schlüsseln aus der Tasche und suchte umständlich nach dem richtigen, als hätte Jenny ihn um einen riesigen, sinnlosen Gefallen gebeten.
    »Haben Ihre Leute etwas mitgenommen?«, fragte Jenny.
    »Ein paar Fingerabdrücke, einen Stapel Kleidung und eine Whiskyflasche. Scheint, als hätte sie über die Hälfte davon getrunken – genug, um jeden von uns aus dem verdammten Fenster springen zu lassen.« Er hatte den Schlüssel gefunden, öffnete die Tür und hielt sie ihr auf. Genauso gut hätte er sagen können: » Nach Ihnen, Mylady! «
    Jenny trat ein. Alles sah noch so aus und roch auch noch so wie gestern, nach einer leicht exotischen Mischung aus Kräutern und Gewürzen. Sie öffnete die Türen zum Bade- und zum Schlafzimmer. Beide Räume waren tadellos sauber. Der Bettüberzug war straff über das Einzelbett gespannt, Chintzkissen waren gegen das Kopfteil drapiert worden. Auch die Küche war perfekt aufgeräumt. In der Spüle entdeckte Jenny eine einzelne benutzte Teetasse, das Frühstücksgeschirr stand im Abtropfständer. Am Kühlschrank war mit einem fröhlich geblümten Magneten eine Einkaufsliste befestigt.
    »Haben Sie etwas dagegen, wenn ich in die Schubladen schaue?«, fragte sie Pironi, der ungeduldig im Türrahmen stand.
    »Machen Sie nur.«
    Sie zog ein paar Fächer auf. Besteck, Tee, Handtücher, Küchenutensilien. Alles sauber und an seinem Platz.
    »Irgendwelche Arzneimittelrezepte?«
    »Nein.«
    Sie öffnete einen Hängeschrank und fand die Geruchsquelle: getrocknete Thymiansträußchen und riesige Gläser mit Gewürzen. »Kein Alkohol im Haus außer dem Whisky?«
    »Kein Tropfen.«
    »Eine Nachricht?«
    Pironi schüttelte den Kopf.
    Sie ging an ihm vorbei ins Wohnzimmer, wo sie gestern Morgen noch gesessen hatte. Es war so, wie sie es in Erinnerung hatte, nur

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