Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)
daran erinnern, wie wir als Babys oder Kleinkinder waren. Das Gehirn ändert seine Struktur und verschließt diese frühen, vorsprachlichen Erinnerungen. Erinnerungen an das Vorleben hat man, so die Auffassung, nur bei einer sehr schnellen Reinkarnation. Ich erinnere mich nicht, was ich als kleines Kind getan habe, dass meine Tanten in mir meine Mutter wiedererkannten. Ich kenne nur die Geschichten, die man immer wieder erzählte. So soll ich Orte in Deutschland beschrieben haben, die ich nicht kennen konnte. Es gab auch keine Bilder von meinem Vater im Haus, seinen Namen hat man mir nicht genannt. Das behaupten zumindest meine Tanten. Dennoch habe ich ihn erkannt, als er die Dorfstraße herunterkam. Ich bin zu ihm gelaufen und habe seinen Vornamen gerufen, wie eine Frau, die zu ihrem Mann eilt. Daran erinnere ich mich, auch wegen des allgemeinen Schreckens, den das auslöste. Und dafür habe ich bis heute noch keine Erklärung gefunden.«
Sie hob die Hand zu ihrer Stirn und sah plötzlich verloren aus, wie sie mitten im Zimmer stand, vom Licht erdrückt.
Ich trat zu ihr und legte die Arme um sie.
Sie schauderte, dann gab sie nach und kuschelte sich in meine Arme.
»Wie ist das eigentlich?«, fragte ich. »Wandern Seelen von Frauen immer nur in weibliche Körper und die von Männern in männliche? Oder könnte der Dalai Lama auch mal eine Frau sein?«
Sie zuckte. Erst dachte ich, sie weine, aber sie lachte. »Der Dalai Lama sicher nicht! Oje!« Sie gluckste. »Ansonsten … Nun, die einen sagen, wir tun es ständig, weil wir so verdammt interessiert sind am andern Geschlecht, dass wir es sein wollen. Die anderen sagen, es gibt den Geschlechterwechsel, aber nur, wenn es einen Grund dafür gibt.«
Sie versuchte, sich zu individualisieren, aber ich ließ sie nicht los.
»Je länger ich mir anschaue«, fuhr sie fort, »wie der Mensch sich mit dem Rätsel seines Todes quält, desto mehr glaube ich, dass die Belohnung für einen guten Menschen nicht die Wiedergeburt in einem besseren Menschen mit schönerem Körper und glücklicherem Geschick ist, sondern umgekehrt. Je mehr wir absteigen auf der Leiter der Selbstreflexion und des Bewusstseins unserer selbst, desto weniger quälen wir uns mit dem Gedanken an unseren Tod. Affen und Elefanten trauern, sagt man. Aber wissen sie auch, dass sie selbst sterben werden, und vor allem: Haben sie Angst davor? So große, dass sie sich an eine Religion klammern, die ihnen Himmel oder Hölle verspricht, vor allem aber, dass du nie tot bist, nie das Bewusstsein deiner selbst verlieren wirst? Ich sage dir: Die Seele des Dalai Lama ist erst erlöst, wenn sie nicht mehr in einem Kind wiedergeboren wird, das erneut Dalai Lama wird, sondern in einem Wurm. Der kann niemanden verletzen, nicht töten, er muss nicht um inneren Frieden ringen, er fürchtet den Tod nicht. Das ist die Erlösung, Lisa. Der arme Dalai Lama ist noch ganz weit weg davon.«
Ich strich ihr die Strähne hinters Ohr und küsste sie auf die Schläfe.
Sie ruckelte sich ein in meinem Arm. »Tiere fürchten sich nicht vor einem Spuk. Und weißt du, warum?«
»Weil sie ihren Tod nicht kennen.«
»Und wir Parapsychologen sind die Schlimmsten. Was ist diese fieberhafte Suche nach der geistigen Kraft, welche die Materie bezwingen kann, anderes als die Suche nach dem Heiligen Gral, der ewiges Leben verleiht? Um seinetwillen haben Menschen einander umgebracht, aber es gibt ihn nicht. Wir jagen ein Phantom.«
Und dennoch hat Juri Katzenjacob den Kronleuchter im Thronsaal von Neuschwanstein zum Schwingen gebracht, dachte ich, aber ich sagte es nicht. Desirée war verschwunden. Doch nicht die Toten und das morbide Geschäft der Geistermacher sollten jetzt herrschen, wenn wir Lebenden uns um Lebendige kümmerten.
Derya drehte sich zu mir. Sie war kleiner als ich und schaute zu mir auf. Ihre Lippen waren halb geöffnet, die Nasenflügel gebläht. »Ich bin aber nicht lesbisch.«
»Ist nicht nötig. Du hast einen schönen Arsch. Wie findest du meinen?«
Sie langte hin und lachte. »Schön! Fest. Und da ist es weich!«
Lustschauer liefen mir den Rücken hinab bis ebendorthin. Ich tauchte meine Hand unter ihr Jackett und grabschte mich bis zu ihrer Brust hoch. Sie steckte in einem Bügel- BH mit Tittenpolster. Um die Knospe zum Blühen zu bringen, musste ich unter die Bluse und unter das Gerät. »Hm, du hast handfeste Brüste.« Ich zog ihre Hand an meinen Vorbau.
Sie gehorchte willig. »Und deine ist … hm … nimm
Weitere Kostenlose Bücher