Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)
auszuspionieren. Hätten Sie mir auch am Telefon sagen können. Aber Sie haben sich ja verleugnen lassen.«
»Ich hatte zu tun!« Er richtete sich auf und rieb sich den Ellbogen, machte aber keine Anstalten aufzustehen. Bodenkontakt war in seiner Heldenrolle nicht vorgesehen.
»Also, was ist nun?«, fragte ich. »Dementieren Sie? Los. Das kann doch nicht so schwer sein. Meine Redaktion verlangt das Dementi.«
»Ich werde Sie anzeigen!«
»Gut. Dann klären wir das vor Gericht. Ich werde genau darlegen, warum ich Ihr Mobiliar zerstöre.«
Ich stieg über seine Beine hinweg und ging in die Küche. Da stand ein festlicher Kaffeeautomat. Ich stöpselte ihn aus, hob ihn hoch und ließ ihn auf die Bodenkacheln fallen. Dabei wurde auch eine der Terracotta-Platten gespalten. »Sie wollten Juri Katzenjacob befreien lassen. Bei der Aktion wurde ein Polizist schwer verletzt. Nicht zu reden von dem Rumänen, der dabei sein Leben verlor. Dafür kommen Sie ins Gefängnis.«
»Hören Sie auf!«, rief er und kam auf die Beine.
Ich holte einen Topf aus der Schublade und schleuderte ihn gegen die Rauchglastür der Hängeschränke über der Cerankochplatte. Sie splitterte. Der Topf haute außerdem einen Sprung ins Ceranfeld. »Und das ist für unseren Stress in den Edinburgh Vaults und dafür, dass Sie das Leben Ihrer Freundin Derya aufs Spiel gesetzt haben.«
»Das war ich nicht!«
»Ah! Ein Dementi. Na bitte, es geht doch.«
Ich holte die Pfanne aus der Schublade und schleuderte sie in die nächste Glastür der Hängeschränke. Dabei köpfte es auch Dutzende von Sektflöten. »Und das ist für die Abhörtechnik in der Burg Kalteneck und dafür, dass Sie Katzenjacobs iPad mit Fahrplänen und technischen Daten gefüllt und dies später an die Presse weitergegeben haben.«
Er zuckte, als wollte er mich erneut angreifen, unterließ es aber.
»Kein Dementi? Wäre auch unklug, denn ich würde dem Richter Beweise vorlegen.« Ich bückte mich und hob die Pfanne auf.
»Nein, bitte!«, flehte er und hob die Hände. »Was wollen Sie denn von mir?«
»Hören Sie auf damit«, sagte ich. »Lassen Sie uns in Ruhe. Pfeifen Sie die Meute zurück.«
»Das … das ist nicht so einfach, wie Sie denken«, sagte er zu meiner Verblüffung.
»Was?«
Er sank auf einen der schönen alten Holzstühle am Küchentisch. »Sie überschätzen meinen Einfluss auf die Medien. Man kann eine Spur legen, aber ist die Meute erst mal los, kann man sie nicht zurückpfeifen. Zumindest ich nicht. Die hören nicht auf mich! Die lassen sich doch von einem Pressesprecher nichts sagen.«
»Wäre ja auch noch schöner!«
Er schaute mich an, als zweifle er erst jetzt an meinem Verstand. »Dann sind wir uns ja einig.«
»Nein.« Ich warf die Pfanne durch die Schiebetür ins Wohnzimmer, ohne zu schauen, wohin. Es krachte irgendwas, das nach elektronischer Anlage klang. »Dann rufen Sie Groschenkamp an, sagen Sie ihm, dass er die Kampagne abblasen muss.«
»Das kann ich nicht. Glauben Sie mir! Groschenkamp hat damit gar nichts zu tun. Also mit dem, worum es uns ging. Ja, wir haben Kalteneck überwacht. Das stimmt. Aber nicht Ihretwegen. Wir hatten Ende letzten Jahres die Befürchtung, dass Rosenfeld uns … uns Ergebnisse vorenthält. Derya hatte was angedeutet, da war ein Maler, der seltsame Effekte erzielte. Aber Rosenfeld hat behauptet, da sei nichts dran. Ich glaube, er war als Wissenschaftler so fasziniert, dass er ihn uns nicht überlassen wollte, bevor er ihn nicht durchgetestet hatte.«
»Und was hatten Sie vor mit diesem Psi-Agenten, den Rosenfeld für Sie entdecken sollte?«
Ingmar Neuner seufzte. »Ich persönlich gar nichts. Aber eine Abteilung von Inter-Q-Orporate wollte herausfinden, wie man elektronische Systeme vor einem Telekinetiker schützen kann. Deshalb haben wir die Testreihen finanziert. Seit Jahren gibt es Gerüchte, die Chinesen hätten einen Telekinetiker, der Computersysteme manipulieren kann. Darauf wollten wir vorbereitet sein. Und zwar schnell. Wenn Sie mich fragen … totaler Schwachsinn. Ich glaube nicht an so was.«
»Und warum haben Sie nach dem gescheiterten Befreiungsversuch umgeschwenkt und Katzenjacob mit diesem iPad und entsprechenden Presseinformationen zum Psi-Monster gemacht?«
»Damit die Chinesen denken, dass wir auch so einen haben?«, sagte er mit Fragezeichen am Schluss des Satzes.
»Herr Neuner, wir danken für das Gespräch. Und den Schaden können Sie bei Ihrer Spukversicherung geltend machen. Derya wird
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