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Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Titel: Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Ihnen sicher gern bescheinigen, dass hier ein Poltergeist gewütet hat.«

55
    Pio Janssen überlebte es nicht. Als ich ihn am Abend von einer Telefonzelle aus anrief, konnte er kaum noch atmen, hustete und redete fiebrig wirr. Ich schickte den Notarzt hin. Der Shinobi starb noch in derselben Nacht in der Charité an einer Infektion mit Legionellen. Sein Haus wurde evakuiert, nach der Infektionsquelle gesucht.
    Das bekam ich in meinem Hotel mit, das in derselben Straße lag. Ich packte sofort meinen Kram, bezahlte und fuhr mit der U -Bahn kreuz und quer durch Berlin, ging in zwei Lokale vorn rein und hinten raus, ließ mich von einem Taxi an den Wannsee fahren, bestieg ein Ausflugsschiff und verließ es in Potsdam wieder. Als ich sicher war, dass mir niemand gefolgt sein konnte, fuhr ich mit dem Zug nach Bochum. Dort nahm ich mir am Nordring ein Hotel, vervollständigte meine Dokumentation, lagerte sie von meinem Laptop auf einen Rechner in der Wolke des Internets aus, schickte den Link per Mail an die taz -Redakteurin und rief sie an, um ihr das Passwort mitzuteilen. »Nur für den Fall, dass mir was zustößt. Dann ist es euch freigestellt, was ihr mit den Informationen macht. Vorerst aber möchte ich nicht, dass irgendwas veröffentlicht wird. Es sterben zu viele. Und immer so, als ermorde sie einer.«
    »Aber für Pios Tod kannst du doch nichts«, sagte sie. »Die Inkubationszeit bei Legionellen beträgt zwischen zwei und zehn Tagen. Sie haben Legionellen im Heizkessel des Hauses gefunden. Vier weitere sind infiziert. So eine Infektion verläuft meistens nicht tödlich. Pio ist vermutlich daran gestorben, weil er Vorerkrankungen hatte.«
    Ja, ja.
    Auf Zypern explodierten zwei Container mit Schießpulver. Fünfzehn Menschen kamen ums Leben. In Indonesien brach ein Vulkan aus. Und in der Ukraine forderten zwei Grubenunglücke über dreißig Menschenleben. Am Sonntag gingen bundesweit zwei bis drei Millionen Menschen mit schwarzen Armbinden und schwarzen Plakaten auf die Straße und forderten die Verbannung von Katzenjacob.
    Ich kehrte in die Neckarstraße zurück. Leider nicht unbemerkt. Mein Telefon klingelte ab fünf Uhr früh. Als ich es ausstöpselte, klingelte es alle halbe Stunde an meiner Tür. Ich holte die Polizei. Kriminalhauptkommissar Christoph Weininger organisierte freundlicherweise ohne dienstlichen Auftrag mit Hilfe seiner Freunde vom Ostendrevier eine Wache vor meiner Haustür.
    In Luxemburg kamen fünfzehn Menschen ums Leben, weil der Blitz einschlug und eine Open-Air-Bühne in die Konzertbesucher stürzte.
    In den frühen Morgenstunden des 15 . Augusts, meiner katholischen Mutter besser bekannt als Mariä Himmelfahrt, feuerten zwölf Männer des Schützenvereins Höllental vom Parkplatz am Druckkammerzentrum aus einem 60 -mm-Mörser eine Granate, die im östlichen Flügel der fünfsternig angeordneten Justizvollzugsanstalt Freiburg einschlug und einen Wachmann und zwei Strafgefangene tötete. Ein Meisterschuss, da waren sich die Kenner einig, denn noch am Tag zuvor hatte Katzenjacob in der Zelle gesessen, die getroffen wurde. Leider hatte der Informant aus der JVA es versäumt, die Zwölfmänner rechtzeitig zu informieren, dass Katzenjacob nach Karlsruhe verlegt worden war, weil die Polizei vage Kenntnis von Anschlagsplänen erhalten hatte.
    Bundeskanzlerin Merkel meldete sich aus dem Sommerurlaub und gab auf einer Pressekonferenz eine Erklärung ab. Man nehme die Sorgen und Ängste der Bürger ernst, sagte sie, sie habe bereits vor einiger Zeit führende nationale und internationale Parapsychologen und Physiker beauftragt, Juri Katzenjacob eingehend zu testen und auf mögliche übersinnliche Fähigkeiten hin zu überprüfen. Sie – Merkel – sei jedoch überzeugt, dass die ihm unterstellten Fähigkeiten nicht existierten, und erhoffe sich insbesondere von den Medien, aber auch den Bürgerinnen und Bürgern mehr Gelassenheit im Umgang mit diesem Thema. Unser Rechtsstaat schließe jegliche Form von Zwangsmaßnahmen gegen eine Person aus, solange kein richterliches Urteil gefallen sei. Sie fordere darum, auch im Sinne der juristischen Fairness, die Justizbehörden dringend auf, schnellstmöglich Anklage zu erheben und eine richterliche Entscheidung herbeizuführen.
    Die Opposition beantragte eine Sondersitzung des Bundestags in der Sommerpause.
    Jüngsten Umfragen zufolge glaubten nun gut achtzig Prozent der Deutschen an Wahrsagerei, Telepathie und Telekinese. Eine Wahrsagerin, die von sich

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