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Totentanz

Totentanz

Titel: Totentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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Stadt erfahren, mit diesen Worten hatte Galvano die Inspektorin erschreckt. Und nun machte sie ihm einen äußert ungehörigen Vorschlag.
    »Was erlaubst du dir?« Galvano schaute sie wütend an und riß den Hund mit einem heftigen Ruck an der Leine neben sich. »Ich bin eine öffentliche Person. Und du traust dich, mir vorzuschlagen, ich soll mich jeden Morgen neben eine Mülltonne stellen und beobachten, wer deine dreckigen Windeln wieder herausfischt, nachdem du sie losgeworden bist?«
    Der Inspektorin verschlug es die Sprache.
    »Und dann soll ich vermutlich diesem Psychopathen die Mülltüte entreißen, ihm Handschellen anlegen und ihn bei dir abliefern. Soweit kommt’s noch!«
    Pina machte noch größere Augen und schaute den Doktor an wie ein Schaf. »Auch Laurenti ist der Meinung, daß niemand geeigneter ist als Sie.«
    »Ich hätte es mir denken müssen«, schnaubte Galvano. »Er steckt also dahinter.«
    »Aber Sie sind doch Freunde«, versuchte Pina zu beschwichtigen.
    »Freunde! Pah!« Speichel spritzte aus seinen Mundwinkeln. »Ich habe keine Freunde. Als man mich abservierte wie einen altersdementen Opa, ließ er es geschehen, ohne einzuschreiten. Und jetzt will er mich zum Müllmann machen.«
    »Einen besseren Beobachter als Sie, Dottore, gibt es nicht«, versuchte es Pina noch einmal.
    »Laurenti ist ein Idiot! Der konnte nicht einmal richtig mit diesem braven Hund umgehen. Und von Menschenführung versteht er noch weniger. Ich sage dir etwas, kleines Fräulein, das du dir einprägen solltest. In sechzig Jahren Berufserfahrung ist mir nicht eine solche Unverschämtheit untergekommen. Ich bin doch kein kleiner Plattfuß, den man zur Observation an irgendeine Ecke stellen kann. Ich bin einer der profiliertesten Gerichtsmediziner des Landes und habe Fälle gelöst, die am Ende dann Laurenti als sein Verdienst ausgab. Der Mann weiß nichts und kann nichts, das ist die traurige Wahrheit. Und du durchläufst eine Schule, in der du nichts lernst. Laß dich versetzen, und zwar schnell.« Galvano wandte sich abrupt von ihr ab und trat dabei dem schwarzen Hund auf die Pfote. Der heulte so laut auf, daß sich das ganze Lokal nach ihm umdrehte. Voller Wut raste Galvano hinaus.
    Pina warf ein paar Münzen auf den Tresen und hastete ihm hinterher. So konnte sie ihn nicht ziehen lassen. Es war besser, im Frieden auseinanderzugehen.
    Sie rannte ihm nach und verstellte dem Gerichtsmediziner den Weg. »Warten Sie, Galvano.«
    »Laß mich endlich in Ruhe, Mädchen.« Der Alte stapfte wütend davon und zog den Hund hinter sich her, doch Pina ließ nicht locker.
    »Ich brauche Ihre Hilfe.«
    Rasch bildete sich eine Menschentraube um sie.
    »Geh zum Teufel, Mädchen.« Galvano schrie, wie ihn niemand kannte. »Und erlaube dir nie wieder, mich anzusprechen.«
    »Laß ihn endlich in Ruhe, den alten Sack«, rief ein Mann, der trotz des Sommers einen Hut trug und den Gerichtsmediziner an Jahren noch übertraf, und ging lachend weiter.
    Galvano drehte sich um, er wollte sehen, wer ihn beschimpft hatte. Das ging wirklich zu weit. Er würde es allen zeigen. Hier und jetzt. Und auf dem meistfrequentierten Platz der Stadt. Zu einer Zeit, wo alle unterwegs waren, außer Freunde, die ihn aus diesem Hexenkessel befreien konnten.
    Pina staunte. Wie lange hatte dieser vierundachtzig Jahre alte Mann wohl seine Wut aufgestaut, und warum machte er sich ausgerechnet bei solch einer Lappalie Luft? Sie mußte ihn unbedingt besänftigen, denn jetzt tauchte auch noch der Fotograf der Tageszeitung auf und hob seine Kamera über die Köpfe der anderen.
    »Beruhigen Sie sich, Galvano! Bitte«, beschwor Pina den alten Gerichtsmediziner und zupfte ihn am Ärmel. »Lassen Sie uns weitergehen und in Ruhe über die Sache reden.«
    »Verdammte Zwergin«, schimpfte er vor sich hin, »dir werd ich zeigen, was es heißt, mich zu demütigen.«
    Lange hatte er sich gestern noch über die Unverfrorenheit der Inspektorin und die Respektlosigkeit Laurentis aufgeregt und sich erst beruhigt, als er nach dem Abendessen bei einem Glas Whisky die Spätnachrichten ansah, die ihn ablenkten. Doch heute früh brach die Wut wieder aus ihm hervor, als er kurz nach sechs den Hund ausführte und wie immer einen Espresso nahm in der Bar an den Rive, die Anlaufpunkt vieler Fischer war. Er traute seinen Augen nicht, als er die Zeitung aufschlug: Das Foto zeigte ihn inmitten einer Menschenmenge auf dem Börsenplatz. Von Pina war fast nichts zu sehen, sie reichte dem

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