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Totenverse (German Edition)

Totenverse (German Edition)

Titel: Totenverse (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoë Ferraris
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wurde, und das trieb ihr beinahe Tränen in die Augen.
    An der Wand daneben hing ein auf Posterformat vergrößertes und gerahmtes Satellitenfoto der Wüste: ein Haufen Sanddünen und in der Mitte ein schwaches Raster aus weißen Steinen mit den Worten »Qaryat al-Faw« in Blockbuchstaben daneben. Am Rande des Fotos waren etliche Unterschriften, was sie auf die Idee brachte, dass es sich um die Aufnahme irgendeiner archäologischen Ausgrabungsstätte handelte und die Leute, die dort gearbeitet hatten, Mabus das Poster als Souvenir geschenkt hatten. Sie konnte keinen der Namen entziffern.
    Sie holte Stift und Papier aus ihrer Handtasche und notierte sich die Worte »Qaryat al-Faw«. Das war zumindest schon mal ein Anhaltspunkt.
    Sie ging zurück zu dem Schreibtisch und versuchte, den Computer einzuschalten, aber der war ausgestöpselt. Während sie noch dabei war, nach einer Steckdose zu suchen, hörte sie ein Geräusch. Es klang wie Schritte, langsam und bedächtig.
    Sie fuhr herum und starrte in die Dunkelheit. Ein Adrenalinstoß rauschte durch sie hindurch, als ihr klar wurde, dass die Schritte sich vom Hof her näherten. Sie wich zurück in die Dunkelheit, doch die Schritte kamen näher.
    Sie umklammerte ihre Tasche und stolperte in den dunklen Gang. Sie strauchelte über ein Stromkabel auf dem Boden und stieß mit dem Knie so heftig gegen einen Tisch, dass ihr der Schmerz durchs ganze Bein schoss. Die Schritte wurden schneller. Sie rang den Schmerz nieder und rappelte sich auf. In dem Gang war es stockdunkel, und sie musste sich an der Wand entlangtasten. Schließlich kam sie an eine Tür, fand die Klinke, und gleich darauf stürzte sie förmlich in eine Art Diele. Sie schloss die Tür hinter sich und versuchte, das Rauschen in ihrem Kopf so weit zu beruhigen, dass sie auf irgendwelche Geräusche achten konnte.
    Sie hatte das grauenhafte Gefühl, für immer in diesem dunklen, verwirrenden Haus gefangen zu sein, hilflos auf der Flucht vor einem unbekannten Verfolger. Sie bewegte sich ein kleines Stück nach vorn, da öffnete sich ganz langsam die Tür hinter ihr und ließ einen schmalen Streifen Licht herein. Erschrocken rannte sie zur gegenüberliegenden Wand, die sie verzweifelt mit den Fingern nach einem Ausgang absuchte. Endlich stieß sie gegen einen Metallknauf und drehte ihn.
    Sie stolperte nach draußen auf die Straße. Es war nicht die Gasse, wo sie aus dem Taxi gestiegen war, sondern eine andere, breiter und dunkler. Ein Regentropfen streifte ihr Gesicht, und sie zuckte zusammen.
    Ohne zu wissen, wo sie war, strebte sie auf das Licht der Hauptstraße zu und betete, dass das Taxi dort auf sie wartete. Aber es war nicht die richtige Ecke. Mit zitternden Händen zog sie den Neqab vors Gesicht.
    War gerade Gebetszeit? Sie hatte keinen Ruf zum Gebet gehört, aber die Straße war praktisch menschenleer. Die Geschäfte sahen heruntergekommen aus, und es gab nirgends ein Schild auf Englisch. Sie beschloss, um den Häuserblock herumzugehen. An der nächsten Ecke standen zwei Männer plaudernd neben einem Lastwagen. Als sie sie erblickten, verstummten sie. Sie waren jung, Afrikaner, beide mit grellbunten Polyesterhemden. Einer von ihnen öffnete sein Hemd und sagte: »Voulezvous fuck me?« Der andere lachte.
    Miriam bog hastig um die Ecke und sah bestürzt, dass die Straße in einem weiten Bogen nach rechts verlief. Sie musste sich eher links halten, um wieder zur Vorderseite des Hauses zu gelangen, aber es gab keine Querverbindung. Egal. Die Männer an der Ecke starrten ihr nach, und als sie nach hinten schaute, setzten sie sich in ihre Richtung in Bewegung. Miriam beschleunigte ihre Schritte.
    Sie suchte in ihrer Handtasche nach dem Handy, konnte es aber nicht finden. Sie erschrak und stolperte über ihren Umhang, wollte losrennen, wusste aber nicht, wohin.
     
    »He!«, rief eine Männerstimme hinter ihr. »He, marra! « Frau! Sie ging noch schneller. Endlich hatte sie ihr Handy gefunden und wählte die Nummer des Taxiunternehmens, schon beinahe im Dauerlauf. Neben ihr auf der Straße hielt ein Auto. Unwillkürlich wurde sie langsamer, als sie den Kopf wandte, um durch den Sehschlitz des Neqabs zu spähen. Eine Autotür schlug. Hastende Schritte auf dem Pflaster kamen näher. Sie sah kurz das Gesicht eines Mannes, einen starren Reptilienblick, der ihre Augen suchte. Sie rannte los.
    Schon nach wenigen Schritten hatte der Mann sie eingeholt. Durch Umhang und Schleier behindert, stolperte sie genau in dem Moment,

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