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Totenverse (German Edition)

Totenverse (German Edition)

Titel: Totenverse (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoë Ferraris
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überhaupt die Küche erreicht hatten.
    Anscheinend, dachte Nayir, war es in Amerika üblich, Gäste schnurstracks in die Küche zu führen, weil Miriam es genauso gemacht hatte. Als sie am Tisch Platz genommen hatten, wurde ihm klar, dass Mrs Marx sich hier sicherer fühlte. Sie beschäftigte sich damit, Kaffee zu kochen und Datteln auf einem Tablett anzurichten. Osama wirkte, als hätte er am liebsten auf all das verzichtet und wäre gleich zur Sache gekommen, hielt sich aber aus Höflichkeit zurück. »Sie sind die Ehefrau von Jacob Marx?«, fragte er.
    »Was? Ach so! Ja, ich bin Patty Marx.« Sie hatte aufgehört herumzuhantieren und starrte sie jetzt ängstlich an. Hinter ihr piepste die Kaffeemaschine los, und sie fuhr herum, goss hastig Kaffee ein und stellte zwei Tassen vor ihnen auf den Tisch.
    »Mrs Marx«, sagte Osama. »Es geht um Miriam Walker.«
    Patty Marx erstarrte, noch über den Tisch gebeugt.
    »Sie wissen nicht vielleicht, wo wir sie finden könnten?«
    Sie schüttelte den Kopf und sah jetzt noch verstörter aus. »Vor zwei Tagen war sie hier, aber seitdem hab ich sie nicht mehr gesehen.«
    Osama nickte und schrieb etwas in sein Notizbuch.
    »Hat sie irgendwas angestellt?«, fragte sie.
    Osama musterte sie. »Nein, wir möchten nur mit ihr über das Verschwinden ihres Mannes sprechen.«
     
    »Nun, ich habe sie nicht gesehen«, sagte Mrs Marx mit einem deutlich abschließenden Tonfall, der besagte: Also können Sie gleich wieder gehen .
    Das ganze Gespräch verlief viel zu langsam für Nayirs Geschmack. »Wir denken, sie hat sich vielleicht irgendwo mit Ihrem Mann getroffen«, sagte er. »Sie hat heute Morgen mit ihm telefoniert. Zu dem Zeitpunkt war sie bei meinem Onkel, und sie hat ihm gesagt, sie will sich mit einem Freund treffen. Wir glauben, bei diesem Freund handelt es sich um Ihren Mann.«
    Jetzt hatte die Frau unverkennbar Panik in den Augen. »Mein Mann ist nicht da«, stammelte sie. Sie drehte sich zur Kaffeemaschine um und nahm offensichtlich zerstreut ein Glas aus dem Regal. Nach einem Moment betrachtete sie das Glas ungläubig und tauschte es gegen eine Tasse aus. Nachdem sie sich Kaffee eingeschenkt hatte, ließ sie die Tasse auf der Arbeitsplatte stehen und wandte sich wieder ihnen zu.
    Osama, der ihr Verhalten mit Adleraugen beobachtet hatte, sagte: »Mrs Marx, wo ist Ihr Mann?«
    »Ich – ich weiß es nicht.« Ihre Stimme zitterte. »Er war heute Morgen hier, und dann hat er gesagt, er müsste weg. Ich hab nicht gefragt, wohin.«
    »Wann war das?«
    »Ich weiß nicht. So gegen Mittag?« Sie blickte sie fragend an, als müssten sie die richtige Antwort wissen.
    »Haben Sie eine Vermutung, wo er hinwollte?«, fragte Nayir spontan.
    Ihre Augen huschten nervös zu Nayir hinüber, doch dann drehte sie sich zur Arbeitsplatte um und öffnete eine Zuckerdose. »Na ja«, sagte sie, »wenn er gesagt hat, dass er sich mit Miriam treffen wollte, dann wird er wohl zu ihr gefahren sein.«
    »Das hat er nicht gesagt«, korrigierte Osama. »Miriam hat das gesagt.«
    »Ach ja.« Mrs Marx nickte. »Aber vielleicht hat sie auch gelogen.«
    Osama blickte enttäuscht. Und jetzt schlich sich ein Anflug von Zorn in seine Augen. »Mrs Marx, wir suchen nach Miriam Walker, weil sie in Gefahr sein könnte.« Mrs Marx starrte sie an, und ihr Mund rundete sich zu einem leisen »Oh«.
    »Sie haben sie vor zwei Tagen gesehen«, fuhr Osama fort, »also wissen Sie vermutlich, dass ihr Mann vermisst wird. Aber vielleicht wissen Sie nicht, dass heute ein Artikel in der Zeitung war, der Eric Walker mit der Ermordung einer jungen saudischen Frau hier in Dschidda in Verbindung bringt.«
    Sie schnappte überrascht nach Luft. Eine kaum merkliche Veränderung in ihrer Mimik ließ Nayir vermuten, dass ihr durch diese Information etwas Wichtiges klar geworden war. Sie ging mit ihrem Kaffee ans andere Ende des Tisches und setzte sich ihnen gegenüber ganz vorne auf die Stuhlkante, als wollte sie jeden Moment wieder aufspringen.
    »Also, wenn Sie uns irgendwas dazu sagen können, wohin Ihr Mann wollte –«
    »Sie glauben doch wohl nicht, er ist eine Gefahr für Miriam, oder?«, sagte sie verächtlich. »Selbst wenn er sich irgendwo mit ihr getroffen hat – was ich stark bezweifle –, würde er ihr niemals etwas antun!«
    In dem Moment klingelte Osamas Handy. Er schaute verärgert, holte es aus der Tasche und runzelte die Stirn. Ehe er das Gespräch annahm, warf er Nayir einen kurzen Blick zu.
    »Hallo?« Eine

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