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Totenverse (German Edition)

Totenverse (German Edition)

Titel: Totenverse (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoë Ferraris
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nicht zu übersehen: Katya liebte ihre Arbeit. Und der Gedanke, sie zu bitten, diese Arbeit aufzugeben, um Kinder großzuziehen, erschien ihm auf einmal wie der selbstsüchtigste Wunsch, den er je gehabt hatte. Aber wenn er sich das doch jetzt eingestand, wenn er doch ganz klar sah, dass sie in der Rolle der Ehefrau und Mutter niemals glücklich werden würde, wieso ging er dann nicht einfach? Wieso beendete er das Gespräch nicht und verabschiedete sich?
    »Darf ich dich zum Essen einladen?«, fragte er stattdessen, was für sie beide ein Schock war.
    »Oh.« Sie blickte erschreckt und verlegen. »Ich hab schon gegessen, aber …«
    »Nein, nicht heute Abend. Nächste Woche vielleicht?«
    War das Angst in ihren Augen? »Ja«, sagte sie zögernd. »Sehr gern.«
    Er stand auf und hatte das Gefühl, als hätte er plötzlich dreizehn Hände. »Ich geh dann jetzt besser.«
    »Nayir, danke.« Sie deutete auf den Computer.
    »Gern geschehen.«
    »Da ist noch was«, sagte sie.
    Er erstarrte in der Bewegung. »Ja?«
    »Ich hab erzählt, ich wäre verheiratet.«
    Er hielt den Atem an. Sie wurde knallrot, aber sie wandte sich nicht ab. »Es tut mir leid. Ich hab nicht gesagt, dass du mein Mann bist, aber … ich musste einfach so tun, als wäre ich verheiratet, sonst hätten sie mir die Stelle nicht gegeben. Und sie haben einfach angenommen, dass du …« Sie winkte ab. Als er nichts erwiderte, fügte sie hinzu: »Osama kennt jetzt die Wahrheit.«
    »Ah.«
    »Und es tut mir leid, dass ich dich da mit reingezogen habe.«
    Er nickte. »Ist schon gut.« Nach einem verlegenen Moment sagte er: »Kannst du deine Arbeit behalten?«
     
    »Ja«, antwortete sie zurückhaltend. »Vorläufig.«
    Er hätte nie gedacht, dass der Tag kommen würde, an dem er sich darüber freute. »Das ist gut«, sagte er.
    Sie schien überrascht, brachte aber ein nervöses Lächeln zustande.
    »Na dann«, sagte er. » Tisbah ala-khair .« Gute Nacht. Und dann ging er durch den Flur zur Tür, ehe sie noch etwas sagen konnte, das ihn veranlassen würde, sie zu küssen – oder ihm noch klarer machte, was für ein Dummkopf er gewesen war. Er verließ das Haus, ohne abzuwarten, ob sie ihm an die Tür folgte, wandte sich nur einmal um und winkte höflich, und als er ins Freie trat, merkte er mit einem plötzlichen Adrenalinstoß, dass die Straße nass war, die Fenster im Licht der Lampen glitzerten, während ein weicher, sanfter Regen ihm Gesicht und Hände benetzte. Er ging weiter, und der Regen wurde stärker, spritzte prasselnd um seine Füße, klatschte auf ihn nieder, bis ihm das Hemd an der Brust klebte, und er lächelte. Regen! Menschen kamen aus den Häusern, Kinder sprangen jauchzend umher, Frauen und Männer lehnten von Balkonen und starrten hinauf in den wundertätigen Himmel, als wollten sie Allah fragen, warum er mit diesem Segen so lange, so furchtbar lange gewartet hatte.
     

47
     
    Katya betrachtete Fuads dünnes, abgespanntes Gesicht durch den Einwegspiegel des Vernehmungsraumes. Sie war frühzeitig da gewesen, hatte sich einen Stuhl genommen und unauffällig ganz am Rand des Fensters Platz genommen.
    Fuad wartete schon seit ein paar Stunden da drin auf Osama, aber sie wusste, dass der Inspektor sich absichtlich Zeit ließ. Sie hoffte nur, dass man sie bleiben ließ, wo sie war, und dass keiner von den Kriminaltechnikern oder Ermittlern sich über die Anwesenheit einer Frau aufregen würde. Noch schlimmer wäre, wenn man ihr sagen würde, sie sollte zurück ins Labor gehen und mit der Analyse der Spuren anfangen, die man in Fuads Küche gefunden hatte. Hier im Vernehmungsraum würde sich voraussichtlich das Finale eines grausigen Mordfalles abspielen, was sicherlich keiner verpassen wollte. Sie wollte sich jedenfalls nicht vertreiben lassen.
    Früh am Morgen hatte sie Osama das Video aus der SynTech-Kamera gezeigt, und er hatte sich unverzüglich auf den Weg gemacht, um Fuad festzunehmen. Die Spurensicherung hatte Fuads Wohnung durchsucht und im Nu Indizien dafür gefunden, dass jemand in seiner Küche verletzt worden war. Blutspritzer auf dem Boden und Blutreste an einem der Küchenmesser. Am meisten hatte ihn aber die Entdeckung von Blutspuren an einem alten iqal belastet. Katya hatte den ganzen Tag unruhig im Labor gewartet, aber aufgrund der zahlreichen Beweismittel, die es zu sichern galt – Blutproben, Faserspuren, Messer, Flaschen mit Speiseöl, Fingerabdrücke und Haare –, waren die Kollegen noch immer in der Wohnung und

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