Totenverse (German Edition)
Fragen haben Sie nicht gerade, was?«
Sie hüllte sich in ihr Schweigen wie in einen Kokon.
»Wollen die mich damit fertigmachen?« Ein böses Lächeln überzog sein Gesicht. »Wenigstens sind Sie verschleiert«, sagte er.
Sie klappte ihren Neqab hoch. Sofort schlug sein Gesichtsausdruck in Ekel um.
Osama kam zurück und sah Katyas unverschleiertes Gesicht. »Frau Hijazi«, sagte er in gespielt frömmelndem Ton, »warum haben Sie Ihren Neqab gehoben?«
Auf einmal wusste sie, was er vorhatte, und sie machte mit. »Weil dieser Mann unverschämt ist.«
»Trotzdem kein Grund, Ihre Schicklichkeit zu vergessen«, entgegnete Osama ruhig.
»Ich tu, was ich will«, erwiderte sie scharf.
Osama atmete hörbar aus. Fuad starrte sie jetzt drohender an.
»Haben Sie keinen Respekt vor Frauen?«, fragte sie ihn. »Starren Sie mich deshalb an?«
»Sie sollten Ihr Gesicht bedecken«, entgegnete Fuad. »Sie sind Polizistin. Sie sollten nicht lügen und betrügen.«
»Hat sie das mit Ihnen gemacht?«, fragte Katya. »Sie belogen und betrogen?«
Fuads Augen huschten zu ihrem Kopftuch, also nahm sie auch das ab.
»Frau Hijazi!«, sagte Osama scharf. Fuad biss die Zähne zusammen.
»Finden Sie mein Haar anstößig?«, fragte Katya. »Oder wollen Sie es in Wirklichkeit berühren?«
Fuad stieß ein lautes Schnauben aus. Seine Feindseligkeit war ihr widerwärtig. Er triefte vor öligem Schweiß, sein Hemd klebte ihm an der Brust, sodass durch den dünnen blauen Stoff kleine schwarze Haare zu sehen waren, die sich bei jeder Bewegung verschoben wie wimmelnde Ameisen. Sein ranziger Schweißgeruch drang ihr durch die Nase bis tief in die Kehle.
»Sie können keine Frau bekommen«, sagte sie, »das ist Ihr Problem.« Sie sah ihm an, dass sie einen wunden Punkt getroffen hatte, und das machte ihr Mut. »Sie glauben, Frauen sollten Ihre Sexsklaven sein. Das war Leila für Sie, hab ich recht? Ein hübsches Gesicht. Ein süßer, strammer Hintern. Jemand, den Sie vögeln konnten, wenn Ihnen danach war.« Sie war selbst fassungslos, was da aus ihrem Mund drang. Sie konzentrierte sich darauf, nicht an die Leute zu denken, die sie beobachteten und denen jetzt wahrscheinlich der Mund offen stand. »Also, was ist passiert? Hat sie Nein gesagt? Und sich lieber einen gut aussehenden Amerikaner genommen?«
Bei dem Wort »Amerikaner« verzog sich sein Gesicht. Er beugte sich ruckartig vor und schlug mit den Fäusten auf den Tisch. »Halt dein dreckiges Maul.«
Sie wich nicht zurück. »Sie hat mit einem Amerikaner geschlafen, nicht?«, fragte sie und wurde lauter, um das Zittern in ihrer Stimme zu unterdrücken. »Sie hat mit Eric Walker gevögelt.«
»Sie hatte keinen Anstand.«
»Und was dann? Dann wollte sie nichts von Ihnen wissen? Diese billige, selbstsüchtige Hure wollte Ihnen nicht geben, was Sie wollten?«
Er sprang so heftig auf, dass sein Stuhl gegen die Wand knallte. Diesmal zuckte sie leicht zusammen. Osama stand direkt hinter ihm, bereit, ihn zu packen.
»Hat sie vielleicht gesagt, ›Nein, lieber sterbe ich‹?«, fragte Katya. »Sind Sie dadurch auf die Idee gekommen?«
Fuad ballte rhythmisch die Fäuste, er knirschte mit den Zähnen, und die Muskeln an seinem Hals traten hervor.
Jetzt kannte sie kein Halten mehr. »Leila war nicht nur schön, sie war auch intelligent«, fuhr sie fort. »Sie hat Sie gesehen und gleich gewusst, was die meisten Frauen nur spüren können – dass Sie es nämlich nicht wert sind.«
»Sie war ein Miststück .« Er beugte sich so nah zu ihr vor, dass sein Speichel ihr ins Gesicht sprühte.
»Mag sein«, sagte Katya. »Aber sie hatte es nicht verdient zu sterben.«
»Doch, verdammt, das hatte sie!«, schrie er plötzlich und packte die Kante des Tisches, als wollte er ihn umkippen. »Sie hatte es verdient!«
»Das siedende Öl? Hatte sie das auch verdient?« In Katyas Stimme lag jetzt ihre eigene Wut. »Die Messerstiche? Die Schläge?«
»Sie hat jede Minute davon verdient!« Und dann hob er mit entsetzlicher Kraft den Tisch an und rammte ihn ihr gegen die Brust. Osama warf sich auf Fuad. Katya fiel nach hinten, die Arme schützend erhoben, und krachte gegen die Wand. Die Tür flog auf, Polizisten stürmten herein. Sie konnte nicht atmen, und dann auf einmal füllte wieder Luft ihre Lunge. Der Tisch wurde zurückgezogen. Die Männer waren auf dem Boden. Sie hatte Angst, sie müsste sich erbrechen. Als sie zittrig wieder auf die Beine kam, wurden die Ränder ihres Gesichtsfeldes
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