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Totenverse (German Edition)

Totenverse (German Edition)

Titel: Totenverse (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoë Ferraris
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große, zarte Blume sich zur Sonne reckt.
    Dann waren die ersten Anschuldigungen laut geworden. Angeblich hatte sich Rafiq in einem Fall, wo es um ein misshandeltes Hausmädchen ging, bestechen lassen. Dann warf man ihm vor, er habe an einer Bushaltestelle einen jungen Somali zusammengeschlagen, der um Geld für eine Fahrkarte zurück nach Riad gebettelt hatte. Vor etwa sechs Monaten häuften sich die Verdächtigungen mehr und mehr, gewannen an Wucht und waren schließlich unüberhörbar.
    Osama verteidigte seinen Partner mit der leidenschaftlichen Überzeugung, dass Rafiq schlicht verleumdet wurde. Sein Glaube an den Älteren schien unverwüstlich, doch am Ende genügte ein Flüstern, etwas, das seine Frau Nuha ihm über Rafiqs Ehe erzählte. Danach kamen ihm seltsamerweise Zweifel. Und dann betraten sie die Abtreibungsklinik, und alles änderte sich mit einem Schlag.
    Seit anderthalb Monaten arbeitete Osama nun allein, und er fühlte sich noch immer nicht ganz wohl in seinem Einzelkämpferdasein. Er hätte sich Abdullatif oder Abu-Haitham als Partner nehmen können, aber der Erste war ihm zu vorlaut und der Zweite zu schweigsam und unterkühlt, und wenn er die Wahl gehabt hätte, hätte er Faiza jedem männlichen Kollegen vorgezogen. So Gott will, dachte er, wird dieses Land irgendwann modern genug sein, um zu begreifen, dass jeder Ermittler in der Mordkommission eine Frau an seiner Seite braucht, und dass männlich-weibliche Partnerschaften sogar gefördert werden sollten, denn bei welcher Mordermittlung geht es nur um Männer?
    Das Dessousgeschäft hatte eine knallig rosa und golden gestrichene Putzfassade. In sechs kolossalen Schaufenstern stellten lebensgroße Kleiderpuppen Korsetts und Strumpfgürtel zur Schau. Eine Puppe schwang drohend eine Peitsche über einer zweiten, die einen Neqab (aber sonst nichts) trug und unterwürfig auf dem Boden kniete. An den Rändern des Fensters waren schwarze Farbreste zu sehen. Offenbar hatte ein Sittenwächter die Scheiben besprüht, um diesen Frevel zu verdecken. Osama berührte die schwarzen Flecken mit den Fingern und stellte fest, dass sie noch frisch waren.
    Das nächste Fenster zeigte drei Kleiderpuppen nebeneinander. Hinter ihnen verkündete ein neongrünes Plakat: Der neuste Kick aus Syrien! Die Puppen waren mit technischem Schnickschnack bekleidet: ein BH aus Kabeln, bei dem ein Handy jede Brust zudeckte, ein Blackberry-Tanga. Er musste lachen, nicht weil es so lächerlich war, sondern weil er wusste, dass Faiza neben ihm stand und fassungslos die beiden Computermäuse anstarrte, die an die Pobacken der Puppe geschnallt waren. (» Klick mich an, Baby! «)
    Sie wandte sich verlegen ab und folgte ihm in den Laden.
    Schlagartig überkam ihn ein Frösteln. Die Klimaanlage war übertrieben hoch eingestellt, eine deutliche Abschreckungsmaßnahme gegen jeden Impuls, sich auszuziehen, aber sie verlieh dem Raum auch etwas Feindseliges. Er war riesig, erinnerte an eine Lagerhalle und war in verschiedene Themenbereiche unterteilt: Romantisch, Frech, Ein Hauch von Nichts und Hemmungslos . In der Mitte des Raumes war eine Kasseninsel mit drei jungen Männern besetzt. Mit ihren ordentlich gepflegten Schnurrbärten und adretten Button-Down-Hemden sahen sie aus wie frisch von der Wirtschaftsfachschule. Osama ging auf die Kassierer zu, Faiza an seiner Seite sah sich um. Um diese Tageszeit war nicht viel Betrieb, aber ein einsamer Mann spazierte durch die Gänge, und ein junges Paar strebte auf die Abteilung Hemmungslos zu, aber als Osama seine Dienstmarke zückte, blieben sie prompt stehen.
    »Ich möchte Abdulrahman Nawar sprechen«, sagte er.
    »Der ist hinten«, antwortete einer der Kassierer und schielte zu seinen Kollegen hinüber, die in stummem Schrecken erstarrt waren. Osama musterte jeden von ihnen ausgiebig, um sie noch nervöser zu machen. Das hatte Rafiq ihm beigebracht: Männer in Dessousläden musst du einschüchtern . Sie sollten daran erinnert werden, dass Polizisten nicht immer Uniform trugen, dass jeder Kunde ein Polizeibeamter sein konnte und dass sie lieber stets auf der Hut waren. »Die sind tagaus, tagein von Sexualität umgeben«, hatte Rafiq gesagt. »Du kannst davon ausgehen, dass sie ganz schön oft auf dumme Gedanken kommen.« Osama war unvorstellbar, wie sie nicht auf dumme Gedanken kommen sollten.
    »Äh … ich geh ihn holen«, sagte der junge Mann.
    »Nicht nötig«, antwortete Osama und fixierte sie drohend. »Wir finden ihn schon.«
    Die drei

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