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Totenverse (German Edition)

Totenverse (German Edition)

Titel: Totenverse (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoë Ferraris
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eine Opernsängerin mit einer Kamelkarawane in die Wüste geschickt worden. Miriam ging ins Wohnzimmer und holte die CD. Sie verglich die beiden Wörter und stellte fest, dass sie nicht genau gleich waren – die Endungen sahen unterschiedlich aus –, aber die Ähnlichkeit war groß, und sie war ziemlich sicher, dass das Wort in dem Dokument tatsächlich eines der drei Wörter war, die sie auf Arabisch kannte: Leila .
    Sabria öffnete die Tür stets mit demselben zögernd ängstlichen Gesichtsausdruck. Er besagte: Ich habe keine Lust, meinen Neqab anzulegen, also bist du hoffentlich eine Frau …? Und wenn sie dann Miriam sah, grinste sie.
    Heute jedoch blieb das Grinsen aus. »Komm rein!«, tuschelte sie, packte Miriams Arm und zerrte sie direkt in die Küche. Sie machte die Küchentür zu und schloss ab.
    »Lass mich raten«, sagte Miriam. »Dein Bruder ist da?«
    Sabria war errötet. »Wenn er reinkommt, bedeckst du besser dein Gesicht.«
    »Ich bleib nicht lange«, wollte Miriam sie beruhigen.
    »Bleib, solange du willst!«, sagte Sabria trotzig. »Er ist derjenige, der nicht hier sein sollte. Los, setz dich. Setz dich.« Sie schob Miriam auf einen Stuhl und ging zum Herd, um Tee zu kochen. »Ich wünschte, ich könnte weglaufen, nach Pakistan.«
    Sabrias Bruder Marwan war ein geläuterter Dschihadi. Zwei Jahre zuvor war er bei einer Großaktion der Sicherheitskräfte gegen militante Anhänger von Al-Qaida im Königreich festgenommen worden. Sie hatten ihn ein Jahr in Haft gehalten und dann beschlossen, dass er für ein neues Reformprogramm infrage kam, durch das Dschihadis mithilfe von religiöser Beratung und üppiger finanzieller Unterstützung ins normale Leben reintegriert werden sollten. Marwan hatte das Geld angenommen und damit einen Hauskauf finanziert, aber die religiöse Beratung war anscheinend spurlos an ihm vorübergegangen. Seit drei Monaten war er so streng wie eh und je und kam einmal die Woche ins Haus, um zu kontrollieren, dass seine Familie halal aß, die Gebetszeiten einhielt und die Regeln achtete, an die sich anständige Frauen zu halten hatten. Laut Sabria ging er noch immer in dieselbe Moschee und stand noch immer unter dem Einfluss der Radikalen, die ihn überhaupt erst auf diesen Weg gebracht hatten.
    Miriam war zunächst empört gewesen, als sie hörte, dass Marwan nur deshalb verhaftet worden war, weil er an einem Chatroom im Internet teilgenommen hatte, doch nachdem Sabria ihr geschildert hatte, mit welcher Freude Marwan davon redete, Amerikaner zu töten, wünschte Miriam, sie hätten ihn noch ein bisschen länger im Gefängnis behalten – zumindest bis sie und Eric das Land wieder verlassen hatten. Es war schließlich kein beruhigender Gedanke, über einem Mann zu wohnen, der ihnen beiden den Tod wünschte, aber Eric stellte richtigerweise fest, dass Marwan ja nicht mehr im Haus lebte.
    Trotzdem, jedes Mal, wenn sie die Wohnung verließ, hatte Miriam die unterschwellige Angst, ihm im Hausflur zu begegnen. Einmal war er ihr nämlich auf der Treppe entgegengekommen, und da hatte er alle guten religiösen Sitten über Bord geworfen und sie lüstern und ein wenig pubertär angestiert. Sie war zurück in die Wohnung gehastet und hatte die Tür verriegelt.
    »Wie geht’s ihm?«, fragte Miriam.
    »Ach, na ja …« Sabria warf eine Handvoll Minzblätter in die Teekanne. »Ich glaub noch immer nicht, dass er drüber weg ist. Die tun so, als wäre das wie eine Art Sucht. Stecken ihn in ein Rehabilitationsprogramm, geben ihm genug Geld, um sich ein Haus zu kaufen, und dann erwarten sie, dass er wieder normal wird. Jeden Abend regt er sich über irgendwas auf. Im Augenblick ist es sein blöder Job an der Tankstelle.«
    »Glaubst du, es wird schlimmer mit ihm?«
    »Tja, ich denke, wütend ist er schon lange. Trotzdem finde ich, es war richtig von der Regierung, ihn nicht im Gefängnis zu behalten. Das hätte ihn erst recht zum Verbrecher gemacht. Er hat ein gefährliches Temperament. Jedenfalls, er könnte nie ein echter Dschihadi werden, weißt du, weil er sich nicht verstellen kann. Ich meine, kannst du dir vorstellen, wie der versuchen würde, nach Amerika zu kommen?« Sie lachte.
    Gott sei Dank nein , dachte Miriam.
    Sabria stellte den Tee auf den Tisch und setzte sich. Sie lächelte. »Ich wollte dich schon die ganze Zeit sehen.«
    Miriam gratulierte ihr noch einmal zur Verlobung. Sabria zeigte ihren Ring, und Miriam gab bewundernde Kommentare von sich. Auf einmal war sie

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