Totenverse (German Edition)
rufen, als ihre Bewunderung für ihn fast übermächtig wurde, und ich angeblich auch . Sie berichtete ihm von ihrem Gespräch mit Faruha und äußerte ihre größte Sorge: dass es eine Ewigkeit dauern würde, sämtliche DVDs zu sichten, die Faruha ihr mitgegeben hatte. Dann erzählte sie ihm, dass Leila und ihr Bruder sich offenbar nicht verstanden und wegen Geld gestritten hatten.
Osama blickte interessiert, unterbrach sie aber nicht.
»Außerdem soll Leilas Exmann ein brutaler Typ gewesen sein«, fuhr Katya fort. Sie holte ihren Notizblock hervor, um ihre Stichpunkte zu konsultieren. An der nächsten Ampel bat Osama darum, den Block sehen zu dürfen, und sie reichte ihn ihm. Während sie weiterplapperte, quälte sie im Hinterkopf die Neuigkeit, dass Eric Walker Leila gekannt hatte. An dem Punkt, wo sie erklären musste, wer Walker war und wie Leila ihm begegnet war, schien Osama das Stocken in ihrer Stimme zu bemerken, denn er schaute sie plötzlich an.
Sie wurde rot und seufzte. »Ich muss Ihnen etwas beichten.«
Er musterte sie kühl, als rechnete er mit dem Schlimmsten. Sie musste sich zwingen weiterzureden.
»Ich weiß, dass das wahrscheinlich keine gute Idee war«, sagte sie, »aber ich hatte gehört, dass Polizeichef Riad Ihnen Personal streichen wollte.« Er blickte sie verwundert und gekränkt an. Offenbar hatte sie es schon vor ihm erfahren, und es war ein großer Fehler gewesen, das zuzugeben. »Deshalb wollte ich irgendwie behilflich sein. Aus der Vermisstenmeldung, die Leilas Bruder aufgegeben hatte, wusste ich, dass sie vor ihrem Tod an zwei Sachen gearbeitet hat. Sie hat Filmmaterial für den Nachrichtensender aufgenommen und sie hat eine private Kunstsammlung fotografiert.«
Osama zeigte keine Reaktion.
»Majdi hatte Probleme, den Kunstsammler zu erreichen, also bin ich mit einem Bekannten zu der Wohnung gefahren, nur um zu sehen, ob wir ihn finden könnten. Wir haben dort eine Frau angetroffen«, sagte sie rasch und hoffte, er würde das Unausgesprochene heraushören: Es war gut, dass ich dort war, weil wir ja eine Frau befragen mussten . Aber Osama blinzelte nicht mal. »Eine Amerikanerin«, fuhr Katya fort. »Es stellte sich heraus, dass der Kunstsammler ihr Vermieter war. Sie hat uns eine andere Adresse von ihm gegeben.«
»Das ist der Mann, von dem wir annehmen , dass er mit den Koranschriften zu tun haben könnte, die in Leilas Zimmer waren.«
»Richtig«, sagte Katya. »Herr Nabih. Jedenfalls, diese Amerikanerin war zwar hilfsbereit, aber sie wirkte auch nervös. Und jetzt wird’s eigenartig. Wir haben von ihr nämlich erfahren, dass ihr Mann verschwunden ist. Er war schon seit zwei Tagen wie vom Erdboden verschluckt, und sie hatte keine Ahnung, wo er sein könnte. Sie wirkte … verängstigt.«
Katya hatte unbewusst die ganze Zeit ihren Ehering um den Finger gedreht und hörte damit auf, als sie merkte, dass er auf ihre Hand starrte.
»Der Name des Ehemanns«, sagte sie, »ist Eric Walker.«
Die Kälte in Osamas Augen verschwand schlagartig, und an ihre Stelle trat maßloses Staunen. »Sind Sie sicher?«
»Ja. Ich hab Ihnen das nicht schon früher erzählt, weil ich nicht sicher war, ob überhaupt ein Zusammenhang mit den Ermittlungen besteht. Dieser Kunstsammler ist ja nur deren Vermieter …«
Osama nickte. »Also hat Leila ihren Bruder vermutlich angelogen. Vielleicht ist der Vermieter ja tatsächlich Kunstsammler, aber es könnte auch bloß eine Ausrede gewesen sein, und in Wahrheit hat sie sich mit Eric Walker getroffen.«
»Ich denke, das ist eine Möglichkeit«, sagte Katya. »Faruha meinte, Leila hat Eric so kennengelernt, wie sie alle Leute kennengelernt hat – durch ihre Filmerei. Also ist sie Eric irgendwo draußen begegnet, und wahrscheinlich hat er sie seinem Vermieter vorgestellt, um ihr den Fotoauftrag zu verschaffen. Jedenfalls hätte sie ihrem Bruder bestimmt nie erzählt, dass sie mit einem Amerikaner zusammen war.«
»Das finde ich raus«, sagte er und versank gleich darauf in unangenehmem Schweigen.
»Es tut mir leid, ich weiß, das war eigenmächtig von mir –«, sagte Katya. Er winkte ungeduldig ab, aber sie sprach trotzdem weiter: »Bitte, ich versichere Ihnen, dass ich sonst nichts gemacht hab, nur das.«
Als er sich ihr zuwandte, sah sie Erleichterung in seinem Gesicht. »Ist schon gut«, sagte er. »Es war richtig von Ihnen, es mir zu erzählen.«
Sie bogen auf den Parkplatz des Präsidiums ein, aber anstatt den Wagen zu parken, fuhr er
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