Totenwache - Thriller
Ausblick?«, fragte sie lächelnd. »Mein Vater hat mich manchmal Three Rivers genannt.« Sie kam mit dem Kopf etwas näher und inspizierte Nicks enorme Brille. »Und wie hat Ihr Vater Sie genannt?«
»Blindgänger«, sagte Nick.
»Oh. Das tut mir leid.«
Nick zuckte mit den die Achseln und reichte ihr ein braunes Kuvert. Riley drehte sich um und ging zum Rand des großen runden Bassins an der Spitze des Parks. Sie hielt eine Hand in die Luft, um sich zu vergewissern, dass die Gischt der Fontäne sie nicht erreichte. Anschließend setzte sie sich auf den Beckenrand. Nick hockte sich neben sie.
Sie öffnete das Kuvert und zog den Bericht aus dem Umschlag. Die Überschrift lautete: »Entomologischer Befund: Ergebnisse der diagnostischen Laboruntersuchung« Die Felder mit den üblichen Angaben zur Person - Name, Alter, Geschlecht, Fallnummer - waren in dem Formular nicht ausgefüllt. In der Rubrik »Ermittelnde Behörde« hatte Nick lediglich »Privatauftrag« vermerkt.
Riley sah rasch die wenigen Blätter durch. »Natürlich können Sie mich dabei beobachten, wie ich das hier lese«, sagte sie, »Sie können mir aber auch direkt erzählen, was in dem Bericht steht. Können Sie mir zum Beispiel etwas über den Todeszeitpunkt sagen?«
»Nein.«
»Und die Todesursache - irgendein Hinweis?«
»Nein.«
Riley sah ihn an. »Dr. Polchak. Ist das hier etwa eine private Verabredung?«
»Über den Todeszeitpunkt kann ich Ihnen erst verlässlich Auskunft geben, wenn die letzten Schmeißfliegen, die ich gerade aufziehe, geschlüpft sind. Das kann noch zwei Wochen dauern. Und zur Bestimmung der Todesursache dürfte das wenige Material, das Sie mir überlassen haben, kaum ausreichen. Natürlich kann ich eine toxikologische Untersuchung vornehmen, aber das können Sie selbst genauso gut. Schließlich arbeiten Sie ja am Rechtsmedizinischen Institut, wenn ich richtig informiert bin.«
»Und warum haben Sie mich dann nicht einfach angerufen?«
»Wenn ich mich recht entsinne, haben Sie gesagt, dass ich nach Auffälligkeiten Ausschau halten soll. Klar, ich hätte auch noch zwei Wochen warten können - bis zum Abschlussbericht. Aber ich dachte, dass Sie vielleicht gerne wüssten, was mir bislang aufgefallen ist. Außerdem habe ich den Eindruck, dass Sie Ihrem eigenen Institut nicht so recht über den Weg trauen. Was mich wiederum auf die Idee gebracht hat, dass Sie es vielleicht ein wenig eilig haben.«
»Heißt das, Sie haben was gefunden?«
»Ja. Aber wenn Sie lieber den Abschlussbericht abwarten wollen …«
Riley sah Nick erwartungsvoll an, doch der hüllte sich in Schweigen.
Sie hob die Augenbrauen. »Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, dass Sie manchmal ganz schön nerven?«
Nick neigte zweimal den Kopf. »Das hat schon mein
Daddy immer gesagt. Ich habe nur gerade darüber nachgedacht, warum wir uns heute nicht einfach in Ihrem Büro verabredet haben. Das ist doch nur fünf Straßen von hier entfernt - direkt in der Fourth Street. Außerdem haben Sie dort sogar einen eigenen Parkplatz und eine Klimaanlage. Um diese Jahreszeit ist es in Pittsburgh immer so verdammt heiß, finden Sie nicht? Warum wollten Sie mich also unbedingt im Freien treffen? Weshalb an einem derart öffentlichen Ort? Warum sitzen wir hier direkt an einem Brunnen, wo man kaum sein eigenes Wort versteht?«
»Sie haben aber viele Fragen«, sagte Riley.
»Sie doch auch: Todeszeitpunkt, Todesursache, und dann wollen Sie auch noch wissen, wo genau der Tote gestorben ist. Hey, ich habe eine tolle Idee: Ich beantworte eine von Ihren Fragen und Sie eine von meinen.«
»Aber ich bezahle Sie dafür, dass Sie mir meine Fragen beantworten«, sagte Riley entrüstet.
»Da haben Sie völlig recht, das ist nicht ganz fair. Wie wär’s mit einem Preisnachlass? Wissen Sie was, ich gebe Ihnen einen Rabatt: zweihundert Dollar - das ist doch ein Angebot. Was bekommt man denn als wissenschaftliche Assistentin so im Monat? Immerhin müssen Sie mein Honorar aus eigener Tasche bezahlen …«
»Na gut: eine Frage«, sagte Riley. »Aber Sie antworten zuerst - und ich hoffe, Ihre Antwort ist die zweihundert Dollar wirklich wert.«
Nick musste grinsen. »Haben Sie nicht gesagt, dass man die Leiche des Mannes in Butler County gefunden hat - also über vierzig Kilometer von Downtown Pittsburgh entfernt?«
»Richtig.«
»Gestorben ist der Mann dort aber nicht.«
Rileys Augen weiteten sich.
»Ist Ihnen diese Auskunft zweihundert Dollar wert?«
»Kommt darauf an«,
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