Totenwache - Thriller
so?«
Riley schwieg.
»Schauen Sie«, sagte Nick, »Sie setzen sich über die üblichen prozeduralen Gepflogenheiten hinweg und holen sogar eine externe Expertise ein. Okay. Hier bin ich. Ich bin völlig außen vor. Ich kenne weder jemanden in Ihrem Institut, noch kennt mich dort jemand. Außerdem berichte ich nur Ihnen . Wenn Sie nicht mal mit mir offen sprechen können, mit wem dann?«
Riley sah Nick in die Augen, als ob sie hoffte, hinter seinen riesigen Brillengläsern seine Seele zu ergründen.
»Angefangen hat das Ganze vor etwa drei Monaten«, sagte sie dann zögerlich. »Ich war damals noch ganz neu an
dem Institut. Zu der Zeit ist im Allegheny General Hospital ein Mann an einer schweren Kopfverletzung gestorben. Als die Klinik uns über den Vorfall informiert hat, hatte mein Chef - Dr. Nathan Lassiter - gerade Dienst. Er hat sofort eine Autopsie angeordnet. Das war schon merkwürdig genug. Schließlich war das Opfer in Anwesenheit eines Arztes gestorben. Dann hat Lassiter mir auch noch verboten, bei der Autopsie anwesend zu sein. Er hat kompletten Schwachsinn erzählt und behauptet, dass die Prozedur so simpel sei, dass ich dabei ohnehin nichts lernen könne. Zum Schluss hat er mir die Tür praktisch vor der Nase zugemacht.«
»Haben Sie es etwa vorher noch nie mit einem arroganten Vorgesetzten zu tun gehabt?«, fragte Nick. »Da könnte ich Ihnen einiges erzählen.«
»Der Punkt ist folgender: Der Tote hatte einen Organspenderausweis. Im Allegheny General lag deshalb bereits die Anfrage vor, die Nieren des Mannes zur Transplantation freizugeben. Lassiter hat sich aber strikt geweigert, die Organe rauszurücken. Das kann schon mal vorkommen: zum Beispiel wenn ein Pathologe glaubt, dass die Entfernung eines Organs die Vernichtung eines rechtsmedizinisch relevanten Beweismittels zur Folge hat. Aber die Entfernung einer Niere bei einem Schädel-Hirn-Trauma ?«
»Und als Sie ihn darauf angesprochen haben, hat er gesagt …«
»Dass ich noch in der Ausbildung bin und noch viel zu lernen habe. Dass man solche Entscheidungen erst nach langjähriger Erfahrung treffen kann. Lauter Geschwafel und großkotzige Sprüche. Also habe ich ihn einfach übergangen und mich direkt an den Leiter des Instituts gewandt.«
»Mit großem Erfolg, wie ich annehme.«
»Dr. Lassiter hat herumgetobt und mir mangelnden Respekt,
Unkollegialität und Rechthaberei vorgeworfen. Und der Chef der Rechtsmedizin hat nicht mal im Traum daran gedacht, sich wegen einer kleinen wissenschaftlichen Assistentin mit einem seiner leitenden Pathologen anzulegen. Er hat sich sofort hinter Lassiter gestellt. Das heißt, ich musste zu Kreuze kriechen. Und so ist das bis heute geblieben.«
»Aber man kann natürlich auch noch höheren Orts Beschwerde einlegen«, sagte Nick.
»Soll ich etwa den Chef der hiesigen Rechtmedizin höheren Orts attackieren?«, stöhnte Riley. »Und was wird dann aus meiner beruflichen Laufbahn? Sehen Sie, Nick, das Rechtsmedizinische Institut von Allegheny County gehört zu den fünf besten Einrichtungen dieser Art im ganzen Land. Sogar zwei unserer leitenden Pathologen haben dort mal als wissenschaftliche Mitarbeiter angefangen, und …«
»Und wenn Sie mit der Ausbildung fertig sind, dann wollen Sie dort ebenfalls einen guten Job ergattern. Kann ich Ihnen nicht verdenken. Und ohne ein gewisses Wohlverhalten wird daraus natürlich nichts. Immerhin haben Sie den Vorteil, dass Sie aus Pittsburgh sind und so weiter.«
»Woher wissen Sie das?«
»Mein Gott, das ist nun wirklich nicht zu überhören.«
»Dr. Lassiter hat mich seither mehrfach von Autopsien ferngehalten«, sagte Riley. »Außerdem sorgt er dafür, dass ich ständig außerhalb des Instituts zu tun habe - irgendwelche Erledigungen mache oder an Schulen belanglose Vorträge halte.«
»Daran gewöhnen Sie sich schon noch«, erwiderte Nick. »Ich selbst könnte ohne diese Auftritte gar nicht mehr leben.«
»Es war vermutlich ein Fehler, Lassiter einfach zu übergehen. Jedenfalls glaube ich, dass das ein Fehler war. Aber
der Kerl ist mir nicht mal einen Zentimeter entgegengekommen - nicht mal einen Millimeter. Deshalb gibt es für mich eigentlich nur zwei Möglichkeiten: entweder er hat etwas zu verbergen, oder er ist ein mieses sexistisches, egozentrisches Schwein.«
»Wofür in der Tat einiges spricht«, sagte Nick. »Die Spezies kenne ich.«
»Ich kann es nicht genau beschreiben, aber der Mann hat etwas an sich …«
»Er hat so einen merkwürdigen
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