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Totenwache - Thriller

Totenwache - Thriller

Titel: Totenwache - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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eigentlich, dass es in den USA über achttausend Menschen gibt, denen es genauso ergeht wie Ihnen - die inständig auf eine Niere, eine Leber oder ein Herz warten? Jeden Tag sterben sechzehn von ihnen, ohne je ein Spenderorgan zu erhalten. Es ist tragisch. Aber wem erzähle ich das?«
    Zohar kam wieder näher und setzte sich direkt neben der Frau in dem Rollstuhl auf ein Sofa. Er lehnte sich bequem zurück, legte die gefalteten Hände vor sich auf den Schoß und sah die Frau intensiv an.
    »Wissen Sie, weshalb es für dieses Problem bis heute keine Lösung gibt, Mrs. Heybroek? Wissen Sie, weshalb Sie die Nieren nicht bekommen, die Sie so dringend benötigen? Weil uns das Gesetz vorschreibt, dass wir vor der Entnahme eines geeigneten Spenderorgans jedes Mal um die Zustimmung der Angehörigen ersuchen müssen. Daran ändern auch alle medizinischen Fortschritte nichts. Das heißt, Sie sitzen hier und warten auf einen statistisch höchst unwahrscheinlichen Zufall - müssen darauf hoffen, dass jemand mit ihrer seltenen Blutgruppe vom Motorrad fällt oder einen Schlaganfall erleidet. Aber selbst dann müssten wir zuerst die Erlaubnis der Angehörigen einholen. Und es ist nun einmal nicht zu leugnen, dass die Angehörigen die Entnahme eines Organs in über fünfzig Prozent der Fälle ablehnen «, erklärte er. »Und falls eine solche Niere doch einmal verfügbar ist, muss sie zuerst in ihrer Herkunftsregion angeboten werden. Wenn also beispielsweise jemand in Philadelphia bei einem Motorradunfall ums Leben kommt, müssen seine Nieren zuerst dort angeboten werden. Das
gilt sogar, wenn es dort niemanden gibt, der die Nieren so dringend benötigt wie Sie. Dabei spielen die Verdienste, die Sie sich um die Öffentlichkeit erworben haben, nicht die geringste Rolle. Das ist doch einfach skandalös«, sagte er traurig. »Das ist schlicht ungerecht.«
    Zohar erhob sich, schob die Hände in die Hosentaschen und wanderte wieder in dem prächtigen Raum umher. Dabei schüttelte er vor jedem kostbaren Möbel, vor jedem erlesenen Kunstwerk, an dem er vorbeikam, traurig den Kopf. »Wie absurd«, sagte er. »Trotz all Ihrer Macht und all der Wohltaten, die Sie der Gesellschaft erwiesen haben, sind Sie genauso dem Tod geweiht wie jeder andere, der vergeblich auf eine Spenderniere wartet. Da hilft Ihnen Ihr Geld auch nicht weiter. Und das alles wegen eines überlebten Systems völlig willkürlicher bürokratischer Vorschriften.«
    »Hören Sie auf!«, rief die Frau. »Glauben Sie etwa, dass ich das alles nicht weiß? Sind Sie hier, um mich zu quälen?«
    Zohar sah sie tief betroffen an. »Das ist doch wohl nicht Ihr Ernst, Mrs. Heybroek. Nein, ich bin gewiss nicht gekommen, um Sie zu quälen. Vielmehr bin ich heute Abend hier, um Ihnen die Nieren anzubieten, die Sie so dringend benötigen.«
    Sie sah ihn erstaunt an.
    »Ich bin Ethiker«, sagte er. »Nach meiner Auffassung sollte bei der Zuteilung von Spenderorganen das Prinzip des größtmöglichen Nutzens den Ausschlag geben. Wenn es nach mir ginge, würde ein verfügbares Spenderorgan stets dem Menschen zugutekommen, der es am dringendsten benötigt. Ich bin ein dezidierter Verfechter des Konzepts des sozialen Nutzens, Mrs. Heybroek. Ihr Leben ist doch ganz unbestreitbar deutlich mehr wert als die jämmerliche Existenz eines Sozialhilfeempfängers oder eines Kriminellen, eines Menschen also, der immer nur nimmt und nie
etwas gibt. Sie haben der Welt schon so viel gegeben, Mrs. Heybroek, und Sie können noch so viel Gutes tun. Und das möchte ich Ihnen ermöglichen.«
    »Und wie?«, flüsterte sie mit rauer Stimme.
    »Ich glaube, Sie haben einen legitimen Anspruch auf zwei neue Nieren. Und ich finde, dass Ihr unermüdlicher Arbeitseinsatz Ihnen das Recht gibt, sich diese beiden Ersatzorgane zu beschaffen. Das ist nur recht und billig.«
    »Hören Sie endlich auf, in Rätseln zu sprechen«, sagte die Frau. »Falls Sie mir tatsächlich etwas anzubieten haben, dann sagen Sie es endlich.«
    Auf Zohars Gesicht erschien ein Lächeln. »Sie befinden sich nun schon seit fast drei Jahren auf der Warteliste. Nächste Woche teilen Sie Ihrem Arzt einfach mit, dass Sie die Hoffnung aufgegeben haben - dass man Ihren Namen von der Liste streichen soll. Dann erklären Sie ihm noch, dass Sie jetzt nach Hause gehen und dort in Frieden sterben möchten. Anschließend gehen Sie tatsächlich nach Hause, Mrs. Heybroek, allerdings nicht um zu sterben. In der Zwischenzeit beschaffe ich Ihnen zwei Nieren. Die

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