Totenwache - Thriller
passiert, und auf dem Deck war es plötzlich wieder gleißend hell. Nick sah Santangelo mit halb geschlossenen Augen an. »Außerdem«, sagte er, schob sich die Brille in die Stirn und rieb sich die Augen, »sind Sie gewiss nicht eigens hergekommen, um uns mitzuteilen, dass wir die Finger von der Sache lassen sollen.
Das hätten Sie auch telefonisch erledigen können. Sie sind hier, weil Sie wissen möchten, was wir wissen.«
»Leicht einzuschüchtern sind Sie jedenfalls nicht, Dr. Polchak.«
Nick sah ihn an. »Ich dachte, Sie hätten meine Akte gelesen.«
Santangelo wandte seine Aufmerksamkeit Riley zu. »Wie kommt eine Pathologin dazu, gegen einen Kollegen Nachforschungen anzustellen? Was hat Sie nur dazu veranlasst, sogar widerrechtlich in sein Haus einzudringen? Und wieso arbeiten Sie zwei eigentlich zusammen?«
Riley sah Nick fragend an. »Wir haben nichts zu verbergen«, sagte er.
Also erklärte sie: »Ich bin wissenschaftliche Assistentin am Rechtsmedizinischen Institut hier in Pittsburgh. Dr. Lassiter ist mein Vorgesetzter. Vor einigen Monaten ist mir aufgefallen, dass er seine Arbeit nicht korrekt erledigt. Als ich ihn darauf angesprochen habe, hat er sofort sehr aggressiv reagiert - man könnte auch sagen: ›überreagiert‹. Und da bin ich misstrauisch geworden. Kurz darauf habe ich Dr. Polchak auf einer … wissenschaftlichen Tagung kennen gelernt und ihn gebeten, mir bei meinen Nachforschungen behilflich zu sein.«
»Ich bin nun mal ein neugieriger Typ«, sagte Nick.
»Und welche Art von Fehlern lasten Sie Dr. Lassiter an?«
»Da war zum Beispiel ein Mann, der an einem Schädelhirntrauma gestorben ist. Dr. Lassiter hat sich geweigert, die Organe des Toten zur Transplantation freizugeben. Das war die erste ›Anomalie‹, die mir aufgefallen ist. Kurz darauf hatten wir dann im Institut einen Toten, der angeblich einem Herzinfarkt erlegen war. Deshalb habe ich Dr. Polchak gebeten, sich die Leiche mal etwas genauer anzuschauen
- ich meine, unter entomologischen Gesichtspunkten.«
»Und?«
»Die Leiche ist kurz nach Eintritt des Todes noch transportiert worden«, sagte Nick. »Jemand hat den Toten aus der Stadt aufs Land verfrachtet, wo man ihn später gefunden hat.«
»Das heißt, jemand hat ihn dort entsorgt«, sagte Santangelo. »So was kommt vor.«
»Ja, bei einem Mord«, erwiderte Riley. »In Lassiters Obduktionsbefund war aber von einem tödlichen Herzinfarkt die Rede.«
Santangelo nickte. »Sonst noch was?«
»Ja, da ist noch etwas. Dr. Polchak und ich haben außerdem eine dritte Leiche untersucht, die Lassiter obduziert hat, einen Mann, der anscheinend aus einem vorbeifahrenden Auto erschossen wurde. Die Todesursache war ein Schuss in den Hinterkopf. Aber wir haben noch eine zweite Verletzung gefunden - eine Schnittwunde am Rücken, direkt unterhalb der Rippen.«
»Eine Schnittwunde?«
»Ja, eine vernähte Schnittwunde«, sagte Nick, »und die muss schon am Tatort entstanden sein.«
Santangelo sah ihn ungläubig an. »Das können Sie so genau sagen?«
»Sie werden sich wundern, was ich sonst noch alles sagen kann. Zum Beispiel, dass Sie das ohnehin alles schon wissen.«
»Wie kommen Sie denn darauf?«
»Die Vermutung liegt nahe. Schließlich arbeiten Sie für eine Bundesbehörde. Und das FBI hätte sich gar nicht erst eingeschaltet, wenn wir es hier bloß mit einem Fehler der Rechtsmedizin zu tun hätten. Dann würde nämlich die örtliche
Polizei die Ermittlungen leiten. Dass Sie überhaupt mit uns sprechen, zeigt schon, dass es sich hier um einen Verstoß gegen ein Bundesgesetz handelt - zum Beispiel gegen das Transplantationsgesetz, das den Erwerb oder den Verkauf menschlicher Organe unter Strafe stellt.«
Santangelo saß regungslos da.
»Danke«, sagte Nick lächelnd. »Jetzt bin ich mir sogar ganz sicher.«
Santangelo hob abwehrend die Hände. »Ich bin nicht befugt, mich in irgendeiner Form zum Stand der Ermittlungen zu äußern. Ich kann Ihnen lediglich sagen, dass sich Ihre Beobachtungen mit unseren bisherigen Erkenntnissen zumindest teilweise decken. Und was haben Sie sonst noch herausgefunden?«
»Wie Sie wissen, haben wir Lassiters Computer durchsucht. Wir sind dort auf etwas gestoßen, was Ihnen ebenfalls bereits bekannt sein dürfte: Lassiter hat enorme Geldsummen in ein Unternehmen investiert, Geld, das er keinesfalls selbst erwirtschaftet haben kann. Das fragliche Unternehmen heißt PharmaGen. Woher hat der Mann das viele Geld, Mr. Santangelo?«
»Wie
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