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Totenzimmer: Thriller (German Edition)

Totenzimmer: Thriller (German Edition)

Titel: Totenzimmer: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Staun
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gerichtet. Der Draht des Zauns hatte sich sichtbar in die Haut ihres Rückens gedrückt.
    »Auf dem Rücken hat sie deutlich weniger Läsionen. Vielleicht wollte der Täter ihr in die Augen sehen, während er sie quälte.« Das hätte ich nicht sagen sollen, diese Worte waren komplett überflüssig.
    »Welche Perlen Sie uns da kredenzen«, sagte Karoly verbissen. An diesem Kommentar arbeitete er sicher schon Minuten, das konnte ich hören, aber es sollte ihm gestattet sein.
    »Klinische Perlen, direkt aus der Tiefkühltruhe«, fuhr er fort. Es war nicht das erste Mal, dass er mich als Tiefkühltruhe oder Gefrierschrank bezeichnete. Bei unserer letzten Begegnung hatte er mir dassogar auf Französisch gesagt, sicher um anzudeuten, dass solch eiskalte Schnallen wie ich bestimmt frigide waren.
    Ich konnte mich kaum noch beherrschen, aber schließlich rettete mich Karolys Handy, so dass ich mich damit begnügte, die Luft anzuhalten. Was kam jetzt noch dazu? Eine kleine tote Parenthese irgendwo in einem Vorort von Odense, damit mir auf dem Heimweg, wenn ich mit dem Motorradbullen fertig war und die Sonne längst wieder vom Himmel briet, auch ganz sicher nicht langweilig wurde?
    Kann mir hier wirklich niemand einen Kaffee bringen?
    »Okay«, hörte ich ihn hinter mir sagen, »okay, okay, okay.« Er starrte noch eine ganze Weile auf sein Handy, nachdem er das Gespräch beendet hatte. »Das vermisste Mädchen heißt Emilie, den Nachnamen habe ich vergessen. Sie ist achtzehn Jahre alt und vor vier Tagen verschwunden.«
    Es mochte am fehlenden Kaffee liegen, was mir persönlich am liebsten gewesen wäre, oder daran, dass ich jetzt wirklich dringend eine Kippe brauchte. Oder aber an dem Namen, dem Alter und an der Haarfarbe. Und natürlich lag es auch an mir, dieser nachweislich bindungsscheuen Frau.
    Auf jeden Fall wurde mir am ganzen Körper eiskalt, ich vergaß zu atmen, und dann platzte es dummerweise auch noch aus mir heraus: »Emilie!« Meine Stimme war jenseits jeglicher Kontrolle, zitternd, schockiert und grenzenlos entlarvend. Niemand sagte ein Wort, alle starrten mich an, während die Reste der Nacht sich um mich zusammenschnürten.
    »Sie kennen sie«, sagte Karoly scharf in die unerträglich lange Stille.
    Ich biss die Zähne zusammen und atmete heftig ein und aus. »Nein, natürlich nicht!« Ich drehte mich um und sah Karoly hart an. Er erwiderte meinen Blick mit misstrauisch schmalen Augen und wartete offensichtlich auf eine Erklärung.
    »Ich kenne nur aus Kopenhagen ein Mädchen, das achtzehn ist und Emilie heißt.«
    Achtzehn Jahre, wiederholte ich in Gedanken und blickte am kleinen John vorbei auf den Nebel, der über dem Wasser lag, wo sich ein paar Enten versammelt hatten. »Und ich bräuchte dringend eine Tasse Kaffee.«
    Karoly starrte verbissen auf sein Handy. »Entspannen Sie sich, Doktor. Sie sind ja gleich fertig. Wir müssen nur noch auf das Foto des Mädchens warten.«
    Ich trat ein paar Meter beiseite, fischte eine Cecil aus der Tasche und schob die Mundbinde nach unten. Nicht die Fassung verlieren, nicht, wenn sie zusehen, nicht, wenn Karoly dabei ist. Ich suchte meine Taschen vergebens, dafür aber zunehmend verzweifelt nach einem Feuerzeug ab.
    »Kann mir irgendjemand Feuer geben?« Meine Stimme klang wie ein Quaken.
Verdammt, das ist nur deine Fantasie
, raunte ich mir selbst zu.
Reiß dich zusammen, sie ist die Tochter einer anderen Frau.
    »Oh, die Frau Doktor raucht?«, sagte Karoly belustigt. »Hier ist das Bild.« Er glotzte erwartungsvoll auf sein Handy, das sich gerade mit einem lautem Piepen gemeldet hatte.
    Der kleine John materialisierte sich plötzlich mit einem Feuerzeug vor mir und warf mir einen höchst verwunderten Blick zu. Ich blinzelte, brauchte doch nur einen Kaffee. Manchmal waren die Dinge verflucht einfach: Bekam ich einen Kaffee, hatte ich mich unter Kontrolle. Bekam ich keinen … verdammt, haben wir nicht alle … irgendetwas? Ich verspürte einen schier unbändigen Drang, den kleinen John zu fragen, ob wir nicht alle irgendein Leiden hatten.
    »Sehen Sie«, sagte Karoly plötzlich mit deutlich fünischem Akzent und hielt mir das Handy vors Gesicht. »Das ist sie.« Ich schloss die Augen.
    »Ich muss jetzt los, leider«, sagte ich und drehte mich um, um meine Tasche zu holen. Für einen kurzen Moment sah der kleineJohn mir direkt in die Augen, und es war okay, dass er die Tränen dort sah. Ich ging zum Weg, machte dann aber wieder kehrt und ging zu ihm zurück. Mir war

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