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Totenzimmer: Thriller (German Edition)

Totenzimmer: Thriller (German Edition)

Titel: Totenzimmer: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Staun
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what I’ve been through.
Eine Weile blieb ich noch liegen, wurde von Sekunde zu Sekunde wütender, bis die Wut schließlich die Erschöpfung verdrängt und mir das Hirn freigeblasen hatte: Ich war verraten worden – von meinemChef und ebenso von meinem eigenen Körper. Dabei hätte ich diesen Verrat jederzeit kontrollieren können, wenn ich bloß einmal ein Auge aufgemacht und ihn angestarrt hätte, damit er ging. Ich hätte ihm auch eine kleben und ihn rausschmeißen können. Es musste Tausende von besseren Möglichkeiten geben, mit einer Situation wie dieser umzugehen, als ich es gerade getan hatte. Wenn ich denn überhaupt damit umgegangen war.
    Die bittere Wahrheit lautete überdies, dass ich es genossen hatte. Der alte, fette, perverse Idiot hatte das Feuer in mir entfacht.
    Ich stand auf, zog die Hose hoch, rückte das T-Shirt wieder zurecht, band mir einen Pferdeschwanz, sammelte mich und sah auf die Uhr. Es war fünf Minuten nach zwei. Ich war wütend auf mich selbst und mehr als wütend auf meinen Chef, auf Helle und all die anderen Sekretärinnen, die jetzt sicher bereits wussten, was in meinem Büro vorgefallen war. Ich war mir nicht bewusst, ihnen jemals irgendwie auf die Zehen getreten zu sein, war meiner Meinung nach immer freundlich und höflich gewesen, jedenfalls hatte ich das von ganzem Herzen versucht; und trotzdem verstummten sie alle schlagartig, wenn sie mich sahen. Immer, wenn ich mich dem Sekretariat am Ende des Flures näherte, hörte ich sie deutlich zwitschern, doch sobald ich in der Tür stand – Schweigen, Augen auf dem Bildschirm oder in irgendwelchen Akten. Ich hatte keine Ahnung, was ich Ruth angetan haben könnte, und doch waren ihr Blick, ihr aufgesetztes Lächeln und ihre gekünstelt fröhlichen Phrasen deutlich genug. Marianne wirkte auf mich so, als käme sie von einem anderen Planeten, überdies war sie die Lieferantin meines ersten Odenser Kulturschocks: Am ersten Tag im Institut hatte ich Probleme mit meinem Internetzugang und stellte ihr ein paar Fragen, die unter anderem auch das Wort
Internet
enthielten – ein Wort, das heutzutage wohl niemandem mehr fremd sein konnte. Marianne reagierte trotzdem vollkommen verwirrt und sagte: »Sie meinen diese Sache, mit der man in dieses Weltweitnetz kommen kann?« Wie dem auch sei, ichhatte mich nie irgendwie herablassend über sie geäußert, war ihr höchstens aus dem Weg gegangen, aber das war ja noch keine Beleidigung.
    Und dann war da noch Helle. Die jetzt also gesehen hatte, dass Dr. Madsen mit mir machte, was sie sich von ihm so erwünschte.
    Ich konnte spüren, wie das Blut durch meine Adern pulsierte, als ich hellwach aus der Tür trat und mich eilig für die nächste Obduktion umzog.
    »Entschuldigen Sie die Verspätung«, sagte ich, als ich schließlich den Obduktionssaal betrat und die Tür hinter mir schloss. Henriette war nicht mehr da, und Doppel-John war durch zwei andere Techniker ausgetauscht worden, an deren Namen ich mich aber nicht erinnerte. Ich hatte sie zum ersten Mal gesehen, als ich den Motorradpolizisten am Straßenrand untersucht hatte. Karoly lehnte an der Wand. Er hatte die Augen geschlossen, die Arme vor sich verschränkt und wirkte genauso erschöpft, wie ich es noch vor wenigen Augenblicken gewesen war.
    Die Techniker waren gerade mit der Uniform des Polizisten beschäftigt. Sie zogen ihn aus, registrierten jedes seiner Kleidungsstücke und verstauten sie in versiegelten Papiertüten, damit sie später auf eventuelle Spuren untersucht werden konnten. Außer Poul, der mir vom Waschbecken aus einen schwer zu deutenden Blick zuwarf, blickte niemand auf. Helle konnte doch noch nicht …?
It’s been so long, you wouldn’t believe what I’ve been through
, summte ich im Stillen, als ich mir den jungen, aber sehr toten Motorradpolizisten ansah, der auf dem Sektionstisch lag. Erst richtete ich meinen Blick auf die doppelkonturierten Unterhautblutungen, die sich quer über seine Stirn zogen. Die Breite entsprach der einer Brechstange, diesen Gedanken hatte ich schon am Tatort gehabt, wo mir auch Spuren von Rost aufgefallen waren. Ich ließ meinen Blick zu der klaffenden Quetschwunde an der rechten Schädelseite wandern. An den Wundrändern waren Knochensplitter und gräuliche, zerfetzte Hirnmassezu erkennen. Beim Abtasten waren weitere Bruchlinien zu fühlen, die von der Wunde ausstrahlten, ein Teil des Schädels war richtiggehend eingedrückt. Ich begutachtete das Gesicht des toten Polizisten und bemerkte

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