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Totenzimmer: Thriller (German Edition)

Totenzimmer: Thriller (German Edition)

Titel: Totenzimmer: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Staun
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einen hellroten Fleck auf der einen Seite seiner Nasenspitze. Der war mir am Fundort der Leiche noch nicht aufgefallen. Ich beugte mich dichter über ihn und entdeckte auf jeder Seite der Nase so etwas wie einen Fingerabdruck, in dessen Mitte weiße Punkte zu erkennen waren. Ein weiterer Abdruck befand sich direkt unter der Nase. Ich beugte mich noch tiefer hinab und fand einen weiteren roten Abdruck unter dem Kinn, etwa in der Größe eines Daumens. Ich sah zu Poul hinüber. »Was meinen Sie? Was ist das?«
    Er beugte sich über den Toten und sah sich die Stellen lange und gründlich an. »Das ist kein Blut«, sagte er schließlich. »Sieht eigentlich aus wie die Abdrücke, die wir bei dem Mädchen gefunden haben.«
    »Ja, aber wissen Sie, wonach das noch aussieht?« Ich drehte mich zu Poul und packte mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand seine Nase. Er zuckte zusammen, ließ es aber trotzdem mit sich geschehen, auch als ich seinen Mund mit der linken Hand verschloss, den Zeigefinger unter der Nase und den Daumen unter dem Kinn.
    »Der Täter hat ihn mit der Brechstange erschlagen, war sich aber wohl noch nicht zu hundert Prozent sicher, ob er wirklich tot war«, sagte ich, »weshalb er ihm dann noch auf diese Weise die Luft abgedrückt hat.« Ich verharrte in meiner Position, bis Poul schließlich meine Arme abschüttelte.
    »Wie kann er sich nicht sicher gewesen sein, dass der Polizist wirklich tot war? Ich meine, so wie der aussieht und bei all dem Blut am Fundort?«, spekulierte ich laut und sah zur Tür. »Vielleicht war es einfach noch zu dunkel?« In diesem Moment ging die Tür auf und Bonde Madsen trat in voller Obduktionskluft in den Saal. Meine Routine hatte die Wut verdrängt, die wiederum die Müdigkeit geschluckthatte, doch jetzt kochte der Zorn in mir wieder hoch. Ich wusste, was er hier wollte.
    Bonde Madsen hatte Brille und Mundschutz unter dem Kinn hängen, fixierte mich mit mildem Blick und rief mich mit dem Zeigefinger zu sich. Manche Leute kennen wirklich keinerlei Scham, dachte ich, während ich die anderen im Obduktionssaal beobachtete. Poul sah weg und Karoly lehnte noch immer mit geschlossenen Augen und verschränkten Armen an der Wand. Nur die beiden Techniker blickten interessiert von den Kleidern des Beamten auf, einer von ihnen zog sogar eine Augenbraue hoch. Ich ging zu Dr. Madsen und schaffte es dank all der Wut und Scham kaum, einen höflich fragenden Blick aufzusetzen.
    »Gehen Sie erst mal nach Hause und schlafen sich aus«, sagte er viel zu laut und fügte dann flüsternd hinzu: »Ich komme gegen sechs vorbei.« Ich warf ihm einen verwirrten Blick zu. Er legte seinen Mund dicht an mein Ohr und ich konnte spüren, wie seine Lippen einige Haare beiseiteschoben, die sich unter der Haube hervorgestohlen hatten. »Na, ich will schließlich auch noch auf meine Kosten kommen, kleiner Schatz«, flüsterte er, so dass mein Ohr nass wurde. Ich spürte, wie mein Mund sich öffnete und wieder schloss, und starrte wie versteinert auf den grünen Stoff, der sich über seinen Brustkorb spannte. Er musste mindestens einen Meter neunzig groß sein.
    Also wusste er es. Er wusste, dass ich nicht geschlafen hatte. Und ich wusste, dass ich versucht hatte, ein Feuer mit Benzin zu löschen.
     
    Liebes Tagebuch,
     
    meine Mutter war unglücklich, nahm aber händeringend an all dem besorgten Theater teil, das in besseren Kreisen einfach dazugehörte. Wo war Pjevs? Das einzige lebende Wesen, das sich herabließ, mit ihr zu kuscheln, oder besser: das sich von ihr kuscheln ließ. Ich zuckte stumm mit den Schultern und ging nach oben in mein Zimmer, wo mir in einer plötzlichen Erkenntnis bewusst wurde, dass ich allein es war, der meiner Mutter von ihrem jämmerlichen Dasein befreien konnte. Sie sollte mir nichts mehr vorschreiben können, überhaupt nichts mehr sagen können.
    Als ich in jener Nacht zu ihr ging, hatte ich das Schweizermesser meines Vaters dabei; ich klappte die mittelgroße Klinge aus und drückte sie gegen ihr linkes Auge, fuhr leicht an ihrer Schläfe entlang, ohne einen Kratzer zu machen,
ohne Spuren zu hinterlassen
. Ich flüsterte:
Und? Was machst du jetzt, Mama-Fotze, wie willst du verhindern, dass ich dir die Augen aussteche?
Sie jammerte aber nur, kniff die Augen zusammen und versuchte mit zitternden Händen, sich zu schützen. Jämmerlich, Gott, wie jämmerlich.
    Als Fünfzehnjähriger war ich natürlich viel größer, breiter und kräftiger als sie. Hätte sie es auf eine

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