Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totenzimmer: Thriller (German Edition)

Totenzimmer: Thriller (German Edition)

Titel: Totenzimmer: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Staun
Vom Netzwerk:
diesem Ort nicht länger aufhielt als unbedingt nötig. Wir wussten also relativ sicher, dass Emilie nicht hier verschwunden war, sondern am anderen Ende der Stadt, irgendwo im südöstlichen Odense. Ich blieb an der Haltestelle stehen und wartete auf den Bus 162. Was hatte ich sonst schon zu tun, meine Tanzkarte war voll, mein Leben ein Meer aus Zeit, die ich nicht nutzen konnte. Schließlich setzte ich mich auf die harte Bank, genoss die warme Abendluft und ließ meine Ohren mit
The Best of Sort Sol
berieseln. Ich war so müde, dass ich mich, als der Bus nach einer ganzen Ewigkeit kam, direkt hinter den Fahrer setzte und ihn bat, mich zu wecken, wenn wir uns der Kreuzung Niels Bohr Allé/ Ørbækvej näherten. Ein exotischer Ort, an dem ich nie zuvor gewesen war. Ich stellte die Musik leiser, schlief ein und träumte, dass ich mir das Becken abgetrennt hatte und es wie einen Säugling im Arm hielt.
    Als der Fahrer mich grinsend schüttelte, sah ich mich verwirrt um. Der Bus war mittlerweile vollkommen leer. Schlaftrunken taumelte ich über die Stufen nach draußen und fand mich vor dem größten Supermarktgebäude wieder, das ich jemals gesehen hatte. Ich drehte mich um. Auf der anderen Seite der Straße, die wie eine Ringstraße wirkte, lag der blaueste Burger King, den ich jemals gesehen hatte. An diesem Ort also war Emilie ausgestiegen. Ich blickte zu Boden. Und dann? Was machte ich hier eigentlich? Mischte ich mich gerade nicht in die Arbeit der Polizei ein? Ich sah mich unschuldig um. Das tat ich nicht. Ich hatte doch wohl das Recht, eine Busfahrt in die Außenbezirke von Odense zu unternehmen, mir Gedanken über die riesigen Supermärkte zu machen und mir dabei Emilies letzte Nacht vor ihrer Tortur, ihrer Schändung und ihremTod auszumalen. Solange es niemand bemerkte. Solange niemand bemerkte, dass ich eine Macke hatte.
    Es war inzwischen so dunkel, wie es in dieser Jahreszeit werden konnte. Die Straßenlaternen brannten. Der Verkehr war dünn, aber nur fünfzig Meter entfernt kreuzte die zweispurige Niels Bohr Allé den Ørbækvej. Ich folgte Emilies Route zu der größeren Straße und weiter über den doppelten Radweg, der an ihr entlangführte. Auf der anderen Straßenseite lag eine eingezäunte Weide, auf der die Umrisse einiger Pferde zu erkennen waren.
Zentrum vier Kilometer
, stand auf einem hell erleuchteten Schild neben dem Zaun. Auf dieser Seite der Straße war ein gepflegter, frisch geschnittener Grünstreifen, auf dem man notfalls auch ein Auto parken konnte. Emilie konnte nur auf dieser Seite gegangen sein, denn auf der anderen gab es keinen Bürgersteig, und auch der Seitenstreifen war dort nur sehr schmal. Ich folgte der Straße etwa eine Viertelstunde, bis ich die Blangstedgårds Allé erreichte. Schön und gut, aber woher wollte ich wissen, dass sie wirklich diesen Weg genommen hatte? War sie ein vollkommen zufälliges Opfer, auf das der Täter gestoßen war, während er über die Niels Bohr Allé kurvte? Oder war er ihr den ganzen Weg vom Café From hierher gefolgt – und wie hatte er sie ins Auto bekommen? Schließlich hatte er sie nicht an Ort und Stelle getötet, sondern sie zuvor noch vier Tage gequält und misshandelt. Wenn er einen normalen Wagen fuhr, musste er sie betäubt haben, um ungestört fahren zu können und nicht Gefahr zu laufen, dass sie einfach aus dem Wagen sprang. Oder hatte er ihr gedroht, ihr irgendetwas versprochen? Hätte sie gerufen oder geschrien, musste irgendjemand sie gehört haben. Vollkommen verlassen war die Gegend hier ja nicht. Ich sah mich um. Doch, es war vollkommen verlassen. Im Umkreis von einer Meile war niemand zu sehen – hier konnte man durchaus ungestört ein Mädchen entführen. In Camillas Fall, die fast im Zentrum gewohnt hatte, war das schon merkwürdiger. Gab es einen Grund dafür, dass alles so still vor sich gegangen war?
    Diese Spekulationen mussten auf jeden Fall warten, bis ich die Resultate der Toxikologie bekam. Ich ging zurück zur Bushaltestelle und registrierte, dass ich doch schon einmal hier gewesen sein musste, denn ein gelbes Schild verriet mir, dass Ikea nur noch zweihundertfünfzig Meter entfernt war.

ODENSE, 14.–17. JULI 2009
     

12
     
     
    Was am Vortag in meinem Büro geschehen war, dämpfte meine Lust, wieder ins Institut zu gehen, ganz gewaltig. In Gesellschaft von Joni Mitchells
Sex Kills
schaute ich mich den ganzen Weg vom Eingang bis zu meinem Büro nervös um, sah aber niemand anderen als Dr. Banner, der mir

Weitere Kostenlose Bücher