Totenzimmer: Thriller (German Edition)
nicht.« Trotzdem schnappte ich mir ein Stück Aubergine, das ich in die mit Chili gewürzte Erdnussbutter tunkte. Doch, ich hatte Hunger. Meinen Gedanken nachhängend aß ich eine halbe Aubergine und sagte schließlich: »Eigentlich sind diese Krankheiten aber vollkommen egal. Denn wenn das hier ein meldepflichtiges Medikament ist, sollte es ja leicht herauszufinden sein, wer es beschafft hat und sicher auch, für wen. Vielleicht müssen wir nur das staatliche Gesundheitsamt anrufen. Aber das wäre dann die Aufgabe der Polizei.«
Als wir fertig gegessen hatten, rief ich Kenny Fyn Nielsen an, den Leiter der Ermittlungen. Die Erkenntnis, dass der Täter aller Wahrscheinlichkeit nach mit Verfärbungen auf der Haut herumlief, war schließlich von großer Bedeutung. Es wurde ein langes Telefonat, denn Fyn Nielsen saugte jede Information richtiggehend auf. Was ich ihm sagte, war Balsam für seine Seele, denn er litt sehr darunter, nach fast zwei Wochen noch immer keine Spur eines möglichen Verdächtigen zu haben. Fyn Nielsen war leitender Hauptkommissar, ein netter älterer Herr mit dem korrektesten Dänisch, das man sich nur vorstellen konnte. Er sagte in der Regel nicht mehr als unbedingt nötig, so dass ich die Redseligkeit, die er nun plötzlich an den Tag legte, als Zeichen seiner Wertschätzung deutete. Er hatte damals auch bei dem Fall Camilla die Ermittlungen geleitet, und die ergebnislose Entwicklung war ihm mehr als gegen den Strich gegangen. Fyn Nielsen redete so viel, dass ich fast vergaß, ihm das Wichtigste zu sagen: dass es sich bei diesem Präparat nämlich um ein in Dänemark nicht zugelassenes und damit meldepflichtiges Medikament handelte. »Sie müssen sich einfach bei den Gesundheitsbehörden erkundigen, für wen das Mittel genehmigt worden ist.«
»Sag ihm, dass es unter dem Namen
Lamprene
im Handel ist«, sagte Nkem und fischte den Rest Chili-Erdnussbutter mit dem Zeigefinger aus dem Topf. »Von Novartis.«
Als ich auflegte, rechnete ich damit, dass der Haftbefehl nur noch wenige Anrufe entfernt war. Dieses Medikament war in der letzten Zeit sicher kaum mehr als einmal genehmigt worden. Ich schaltete das Handy aus und dachte darüber nach, mir nach dem Essen vielleicht einen kleinen Mittagsschlaf auf dem Rasen zu genehmigen.
»Andererseits …«, dachte ich laut, »… würden die Ämter denn ein Mittel mit so vielen Nebenwirkungen genehmigen, wenn es nicht um Lepra geht?« Ich schnappte mir den Computer und rief erneut die Seite über Lepra auf. »Neben den Verfärbungen, die manche Leute sogar in den Selbstmord treiben können, gibt es noch mehr. Diese Effekte stehen aber nicht unter der Rubrik
Nebenwirkungen
, sondern unter
Hinweise/Warnungen
: schwerwiegende Magenkrankheiten, in seltenen Fällen Milzinfarkt, Magenverschluss oder Magenblutungen. Einige dieser Fälle haben bereits zum Tod geführt.« Ich sah Nkem an. »Dieses Zeug ist ganz schön heftig.« Nkem kaute still weiter, während ich nachdachte. »Nein, weißt du was?«, fragte ich nach einer Weile. »Die Gesundheitsämter würden das niemals in der Praxis genehmigen, erinnerst du dich noch an dieses Ziehen und Würgen um Glucosamin vor ein paar Jahren?«
Sie nickte und legte sich ins Gras. »Dunkel. Nebenwirkungen in Form eines erhöhten Cholesterinspiegels reichten schon, um dieses Präparat nicht freizugeben.«
Ich nickte. »Aber vielleicht ist der Stoff ja für ein Forschungsprojekt genehmigt worden. Vielleicht hat da jemand bloß eine Untersuchungsreihe vorgetäuscht?«
Ich legte mich in den Schatten einer großen Buche und stützte meinen Kopf auf den Rucksack. Zwar hatte ich jetzt mein Wissen über Lepra wieder aufgefrischt, aber wirklich weitergebracht hatte mich das auch nicht. Der Kies knirschte. Die Frau mit dem Teleobjektiv hatte ihr Zeug zusammengepackt und ging mit der Kameratasche über der Schulter Richtung Pforte.
14
Ich musste wohl eingenickt sein. Als ich wieder aufwachte und in den Himmel über mir blickte, spürte ich, dass ich am ganzen Körper schwitzte: zwischen den Schenkeln, unter den Achseln, an der Stirn und an den Händen. »Wir haben den Motorradpolizisten vergessen«, sagte ich zu Nkem und drehte mich zu ihr um. Aber sie lag seelenruhig auf dem Rücken und schlief fest. Ich blieb noch eine Weile liegen und dachte an die roten Fingerabdrücke auf dem Gesicht des Motorradpolizisten. Dann rief ich Poul an und fragte, ob ihm bei der Untersuchung von Leber, Milz und Lymphknoten des Mannes etwas
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