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Toter Mann

Toter Mann

Titel: Toter Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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nicht dumm.«
    Das Taxi umrundete das Rondell am Maria plan. Ademar sah eine Frau aus dem Buchladen kommen. Vor einigen Jahren war er dort eingeladen gewesen, um über ein Buch zu sprechen. Er erinnerte sich an die Besitzer, anständige Menschen. Er war nie wieder hingegangen. Jetzt war ihm nicht mehr übel. Das Auto fuhr an einer Konditorei und einem Fahrradladen vorbei, dann weiter durch einige kleinere Straßen hinter der Kungsladugårdsschule, bog nach links ab und dann nach rechts. Der Fahrer las die Straßenschilder.
    »Stilla gatan«, sagte Ademar.
    »Hier ist es.« Der Fahrer hielt vor einem der Häuser an, die das ganze Viertel bis zum Västra-Friedhof prägten, eine Ansammlung aus Gewölben, Türmchen und Zinnen wie ein hölzernes Schloss.
    Ademar bezahlte und stieg aus. Er hörte, wie über ihm ein Fenster geöffnet wurde, und schaute hinauf.
    Christian Lejon nickte ihm vom zweiten Stock aus zu und zeigte auf die Haustür. Ademar ging darauf zu. Die Tür stand offen. Er stieg die Treppen hinauf. Die Wohnungstür stand auch offen. Er trat ein und ging durch den Flur zu einem Zimmer am anderen Ende. Er sah Lejons Rücken.
    »Du kannst die Tür hinter dir zumachen«, sagte Lejon, ohne sich umzudrehen.
    Ademar ging noch einmal zurück und schloss die Tür.
    Die Wohnung wirkte leer, als wäre sie ausgeräumt. Es gab keine Möbel, keine Textilien, und es roch ungelüftet und nach Staub, obwohl Lejon ein Fenster geöffnet hatte. Von hier sah man einige Werftkräne auf der Hisingsseite. Im linken Blickfeld wölbte sich, rot und grün glitzernd im Licht der Dämmerung, die Älvsborgsbrücke.
    »Ich mag die Aussicht«, sagte Lejon, ohne die Augen von der Brücke zu nehmen.
    »Ja.«
    »In dieser Wohnung bin ich aufgewachsen. Als ich klein war, habe ich oft hier gestanden, die Kräne angeschaut und darauf gewartet, dass mein Vater nach Hause kommt. Und ich stand auch hier, wenn die Schule aus war. Ich wusste, dass er auf einem der Kräne saß, die ich von hier aus sehen konnte.«
    Ademar nickte.
    »Aber eines Tages ist er nicht nach Hause gekommen«, sagte Lejon.
    »Was ist passiert?«
    »Was meinst du? Die Schweine haben ihn umgebracht.« Lejon hatte den Blick noch immer nicht von der Aussicht gelöst. Die Silhouetten der schwarzen Kräne zeichneten sich wie Tiere aus einer vorgeschichtlichen Zeit vor dem Himmel ab. Die Zeit der Werften.
    »Er hatte keine Chance.« Lejon drehte sich zu Ademar um. »Manchmal stehe ich hier und denke daran. Es ist gut für mich, daran zu denken.«
    »Meinst du wirklich?«, sagte Ademar. Lejon lachte auf.
    »Ich mag dich, Schriftsteller.«
    Ademar machte eine Handbewegung über das Zimmer. »Willst du hier einziehen?« »Nein.«
    »Willst du ausziehen?«
    »Nein.« Lejon lächelte. »Hier sieht es immer so aus.« »Hast du die Wohnung gemietet?«
    »Sie gehört mir«, sagte Lejon, »schon lange.«
    Ademar nickte. Lejon wollte ein Museum seiner Kindheit. Ein Mausoleum. Das war okay. Schwachsinn, aber okay. »Mir gehört das ganze Haus«, sagte Lejon.
    »Stehen die anderen Wohnungen auch leer?«
    Lejon brach wieder in Lachen aus. Es hallte wider in dem leeren Raum, wie in einer Schlucht. Als schallte es von den weit entfernten toten Werften herüber, dachte Ademar.
    »Scheiße, ich mag dich wirklich«, sagte Lejon.
    »Hast du mich deswegen gebeten zu kommen? Um mir das zu erzählen?«
    »Ich wollte dir die Aussicht zeigen«, sagte Lejon. »Sie ist schön.«
    »Sie haben mir die Aussicht weggenommen. Aber ich hab sie mir zurückgeholt.«
    »Ja, das sehe ich.«
    »Nur Vater kann ich nicht wieder zurückholen. Und Mutter auch nicht. Die haben sie mir auch weggenommen. Dann haben sie mich auf die Insel geschickt.«
    »Die Insel?«
    »Brännö. In das Lager haben sie mich geschickt. Verbannung. Es heißt Verbannung.« Ademar nickte.
    »Dort habe ich deine Schwester getroffen.« Lejon wandte sich ihm wieder zu.
    »Ich glaube dir.«
    »Und dann haben sie mir auch deine Schwester weggenommen.«
    »Wer die? Wen meinst du? Meinst du damit dieselben, die dir deine Eltern genommen haben?«
    »Nein. Aber es sind dieselben Schweine. Alle Schweine sind doch gleich, oder?«
    »Es gibt viele Schweine«, sagte Ademar, »da gebe ich dir recht. Was für Schweine gab es auf Brännö?«
    Lejon antwortete nicht. Er schaute wieder hinaus. Ademar folgte seinem Blick. Dieselbe tote oder lebendige Szene, je nachdem, wie man es betrachtete. Die Kräne waren zwar tot, aber sie standen noch da. Und das nördliche

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