Toter Mann
Nummer. Es meldete sich eine anonyme Stimme. Woher kamen all diese kalten Stimmen? Waren sie mechanisch? Oder gab es Menschen, die so sprachen? Die Frau mit der metallischen Stimme, die auf dem Anrufbeantworter der Swedbank die Zwischenansagen machte, war früher bestimmt Nachrichtensprecherin oder Fernsehansagerin gewesen.
Sein Handy klingelte. »Ja?«
»Hast du ihn gefunden, Erik?«
»Nein.«
»Ich hab Martina angerufen«, sagte Angela. »Gerade vor ein paar Minuten.« »Und?«
»Ich hab gesagt, ich wollte nur hören, wie es ihr geht.« »Gut.«
»Lars hat sich nicht noch einmal gemeldet.« »Hast du sie gefragt?«
»Ja. Ich hab gesagt, du hättest etwas mit ihm zu besprechen.« »Okay.«
»Wo bist du gerade?«
»Im Augenblick stehe ich vor dem Haus in Eriksberg, wo er jetzt wohnt. In der Wohnung seines> Freundes<, wie er sagt.« »Was willst du machen?«
»Ich weiß es nicht, Angela. Weggehen.«
»Kannst du nicht einfach klingeln? Wenn er da ist, ist er da.« »Ich ... ich will mit ihm sprechen. Wegen heute Abend. Oder Nachmittag.«
»Versuch bitte, so bald wie möglich nach Hause zu kommen.«
»Ja.«
»Wir müssen uns auch ein bisschen unterhalten, Erik.« »Unterhalten worüber?«
»Erik ...«
»Was gibt es zu besprechen, Angela?«
»Das ... darüber können wir reden, wenn du nach Hause kommst. Es ist nicht ... du bist die letzte Zeit nicht du selbst gewesen ...« Sie unterbrach sich. »Es kommt nichts dabei heraus, wenn wir am Telefon darüber reden. Komm nach Hause, Erik. Komm bald.«
»Ich komme, so schnell ich kann.« Er drückte auf Aus.
Ein Mann ging an ihm vorbei, gab den Passiereode in die Tastatur an der Ziegelwand ein und schob die Tür auf. Er drehte sich um.
»Kann ich Ihnen behilflich sein?«
Winter schüttelte den Kopf. Er sollte weggehen. Er hatte sich entschieden. »Suchen Sie jemanden?«
Die Stimme des Mannes klang jetzt misstrauisch. Er ließ die Tür wieder zugleiten, ohne das Haus zu betreten.
»Nein, nein«, sagte Winter. Er drehte sich um und ging davon. »Wer sind Sie?«
Winter antwortete nicht.
»Hallo!«, hörte er den Mann hinter sich rufen. »Hallo!«
37
Die Kirche von Masthugget auf der anderen Seite des Flusses sah aus wie eine Festung. Ein Verteidigungsbollwerk gegen böse Geister. Die Scheinwerfer, die die Steinfassade beleuchteten, setzten sich in die Nacht fort und bildeten einen schimmernden Weg für alles Gute auf der Welt. Als kleines Kind war Winter mit seinen Eltern in dieser Kirche gewesen und hatte den Pastor über alles Gute auf der Welt predigen hören. Die Kirche schien ein einziger großer Laden für Gutes zu sein, Süßigkeiten vielleicht, aber er fand nie welche. Näher als dem Abendmahl kam er ihnen nicht. Als er das erste Mal daran teilnahm, wunderte er sich darüber, dass der Wein süß war. Die Oblate war ihm am Gaumen kleben geblieben. Er hatte weiterhin das Haus des Herrn aufgesucht. An irgendetwas musste man ja glauben. Ohne Glauben gab es nur die Landschaft des Teufels, von der er jeden Quadratkilometer kannte.
Er stand auf dem Sörhallskajen. Die Rufe hinter ihm waren verstummt, während er die Skeppspromenaden hinuntergegangen war. Der Mann hatte ihn nicht verfolgt. Winter wollte es nicht wissen. Er wollte die Wohnung nicht betreten, in der Lars jetzt lebte. Im Zufälligen, dachte er. Lars lebt im Zufälligen. Im Augenblick ist das sein Leben. Sein Leben. Es wird schlimmer, wenn ich es auch noch betrete. Mir reicht sein professionelles Leben. Ich habe in der verdammten Wohnung angerufen. Niemand hat abgenommen. Wenn Lars da gewesen wäre, hätte er sich gemeldet. Er ging weiter in westlicher Richtung. Einige Kilometer entfernt schimmerte die Älvsborgsbrücke wie die Golden Gate Bridge. Das goldene Tor, das in die Stadt führte, oder hinaus.
Eine angeheiterte Gruppe, die auf dem Weg zum River Café auf dem Dockpiren war, kam an ihm vorbei. Winter hörte Lachen, als sie den Pier betraten. Er sah ein paar Gestalten am Fähranleger warten. Die Älvsnabben näherte sich langsam. Das Restaurant am äußersten Ende des Piers war hell erleuchtet. Jetzt gab die Gruppe ein kollektives Gelächter von sich. Die Fähre legte an. Winter warf einen Blick zum Eriksbergstorget, wo das Hotel 11 lag.
Bergenhem fuhr durch Långedrag. Wie war er hierhergeraten? Er wusste es nicht. Er erinnerte sich, dass er von Gullbergsvass weggefahren war, an den Geruch der Schnupftabakfabrik. Dort war er also gewesen. Und daran, dass er ganz allein durch den
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