Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Toter Mann

Toter Mann

Titel: Toter Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
Vom Netzwerk:
Preis gewinnen können, wenn sie kommerziell gearbeitet hätte. Sein Blick blieb an einer auffallenden Fotografie hängen: Das einsame Auto war nur ein Teil, ein Detail, es gab auch einen Hintergrund, den aufragenden Portalkran von Västra Eriksberg, die Skyline der neuen Häuser wie eine eben entdeckte Utopie. Die neugeborene Sonne im Osten, die sich durch das Glas und den Beton schnitt und scharfe Reliefs in Schwarz, Rot und Gold hervorrief. Das schwarze Wasser des Flusses. Die großartige Brücke. Es war ein phantastisches Bild und gleichzeitig entsetzlich in seiner messerscharfen Wirklichkeit. In seiner brutalen Eleganz. Winter in seinem sicheren Zimmer schauderte fast. Das Bild zeigte den Abgrund. Dabei dachte er nicht an die Tiefe unter der Brücke. Er dachte an einen anderen Abgrund. An einen Abgrund dahinter. Anderswo. Auf der anderen Seite der Brücke mündete der Fluss bald ins Meer. Auf dem Foto war die Mündung nicht zu sehen, aber sie war nicht weit weg. Das Meer, die nördlichen und die südlichen Schären. Die Inseln, Winter dachte an die Inseln in den südlichen Schären. Brännö. Das Sommerlager auf Brännö. Als junger Mann hatte er es aus der Ferne gesehen, so wie man eine Anstalt betrachtet, ein Gefangenenlager. N ein, er war damals kein junger Mann gewesen, sondern ein magerer Fünfzehnjähriger, ein Junge, der keine Ahnung gehabt hatte, wo auf dieser Welt oder in anderen Welten er landen würde. Er hatte von anderen Welten geträumt, das hatte er sicher getan, aber im Moment konnte er sich nicht erinnern, und das irritierte ihn. Er zwinkerte und fixierte den Blick wieder auf das Foto von der Brücke. Als Erwachsener sollte man sich an Derartiges erinnern, an den Schritt in die Erwachsenenwelt, genau wie man sich an seinen ersten Schultag erinnern sollte. Das Leben begann einige Male von vorn, in frühen und auch in späteren]ahren, und an die wenigen Gelegenheiten sollte man sich erinnern. Es war eine Chance, die nicht wiederkehren würde, da das Leben niemals Wiederholungen dessen bot, was wirklich etwas bedeutete. Es gab immer nur eine einzige Chance. Alles andere, was später geschah, war nicht so wichtig, wenn man älter wurde, wenn das Leben langsam erstarrte. Er spürte es ja. Er brauchte nicht die Hand zu heben oder seine Schultern zu bewegen. Er fühlte sich unverändert stark, aber die Bewegungen erstarrten langsam. Wie viele Male würde er noch Momente erleben, die erinnernswert waren? Er schloss die Augen. Als er sie wieder öffnete, war die Sonne auf dem Bild noch ein Stück höher in den Himmel gestiegen.
    Christian Lejon ging die Liste der Personen durch, die Dauerparkplätze im Parkhaus in der Nordenskiöldsgatan gemietet hatten.
    Er hatte die Liste kurz vor der Mittagszeit bekommen. Nicht dass er jetzt etwas essen würde. Das Essen musste bis zum späten Abend warten. Dreißig Personen. Das waren nicht besonders viele, aber es war ja auch kein großes Parkhaus. Und einen Parkplatz zu mieten war teuer. Kamen noch die Personen hinzu, die dort für einige Stunden parkten. Aber er musste irgendwo anfangen, mit dem ersten Namen auf der Liste würde er beginnen. Die Namen waren in alphabetischer Reihenfolge aufgelistet. Der erste war Aare, der zweite Ademar und so weiter.
    Endlose Spaziergänge durch die Stadt unter dem tiefblauen Himmel. Er konnte sich nicht erinnern, ob der Himmel je so blau gewesen war. Hing das mit dem Herbst zusammen? Wurde der Himmel im Herbst blauer? Darüber konnte er ein oder zwei Stunden nachdenken und über all das, was in dem Blau enthalten war. Es verschaffte eine Art Linderung, darüber nachzudenken, was sich hinter allem verbarg. Als wäre das Leben hier unten auf der Erde nicht mehr ganz so dürftig und schäbig, wenn man darüber nachdachte.
    Aber eigentlich war es ja umgekehrt. Wenn man darüber nachdachte, erschien einem hier unten erst recht alles dürftig, schäbig und sinnlos.
    Er ging in Richtung Osten am Fluss entlang. Bald würde er den Pier erreichen. Er hatte versucht sich zu entscheiden, ob er es wollte.
    Er würde einen neuen Auftrag bekommen.
    Er hatte damit gerechnet, sehr bald umgebracht zu werden. Aber noch war er von Nutzen.
    Er spürte die Sonne im Gesicht und ging hinaus auf den Pier.

18
    Ringmar kam ohne anzuklopfen herein und setzte sich Winter gegenüber an den Schreibtisch. Winter hielt eine der Fotografien hoch.
    »Was sagt uns das hier?«, fragte er. »Was?«
    »Die Szene. Das Bild. Das Motiv. Das Ereignis.« »War es ein

Weitere Kostenlose Bücher