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Totes Zebra zugelaufen

Totes Zebra zugelaufen

Titel: Totes Zebra zugelaufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ball
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Größe und das Gewicht des Toten wissen.«
    Tibbs nannte die Zahlen aus dem Gedächtnis. Der sensei nickte und vertiefte sich erneut in die Zeichnungen. Dann schüttelte er den Kopf.
    »Kein Karate«, stellte er fest. In gebrochenem Englisch gab er eine technische Erklärung, der Tibbs aufmerksam folgte. Obwohl er selbst den schwarzen Gürtel trug, wußte er, daß sein Wissen sich nicht mit dem des Meisters vergleichen ließ. Nishiyama glaubte, daß der Mörder ein geübter Schläger und Raufbold war, daß er aber von Karate keine Ahnung hatte. Der sensei folgerte das nicht nur aus der Art der Schläge, sondern auch aus ihrer relativ großen Zahl. Ein in Karate Geübter hätte nicht so viele gebraucht.
    Tibbs bedankte sich und lehnte die Einladung zu einem kurzen Training ab. Er hatte schon verschiedentlich Übungskämpfe mit Nishiyama absolviert, und wenn er auch viel dabei gelernt hatte, so war ihm jetzt nicht danach zumute.
    Die Auskunft des sensei bestätigte seine eigene Meinung. Tibbs kehrte zum Wagen zurück und machte sich auf die Fahrt zu McCormacks Rechtsberater. Der Fall war für ihn jetzt gelöst, doch gerade aus diesem Grund wollte er nichts außer acht lassen, was sich später vielleicht als bedeutsam erweisen konnte.
    Als er die Praxis des Anwalts betrat, wurde er sogleich zu Wolfram geführt. Er war ein unerwartet kleiner Mann mit buschigem wirrem Haar. Tibbs stellte fest, daß das gesamte Mobiliar des Büros darauf ausgerichtet war, die Zwergenhaftigkeit Wolframs zu vertuschen.
    Nach den üblichen Begrüßungsfloskeln umriß Tibbs kurz den Sachverhalt, den der Anwalt teilweise schon kannte. Als er sich dem Ende näherte, unterbrach Wolfram. »Mr. Tibbs«, fragte er, »laufen Ihre Ausführungen darauf hinaus, mir klarzumachen, daß einer meiner Klienten in Gefahr ist?«
    »Nein«, versetzte Tibbs. »Zumindest nicht im Augenblick. Ich bin nur gekommen, um Sie um gewisse Auskünfte zu bitten.«
    Wolfram nickte. »Fahren Sie fort.«
    »Wann wollten Sie die Testamentseröffnung vornehmen?«
    »An sich heute.«
    »Würde Sie irgend etwas daran hindern, die Sache noch ein wenig aufzuschieben — sagen wir vierundzwanzig Stunden?«
    Wolfram lehnte sich zurück und wirkte plötzlich trotz seiner Schmächtigkeit ausgesprochen überlegen. »Können Sie mir den Grund für diese Bitte nennen?«
    »Ich bin auf der Jagd nach einem Mörder. Wenn Sie die Testamentseröffnung verschieben, wäre das für mich eine große Hilfe.«
    »Aha. Schön, ich bin einverstanden. Sonst noch etwas?«
    »Ja«, antwortete Tibbs. »Ich möchte das Testament gern lesen, wenn es gestattet ist. Eine Klausel, die es möglicherweise enthält, interessiert mich sehr.«
    »Ist das eine amtliche Anfrage?«
    »Gewiß.«
    Wolfram zog die Beine an und stützte die Fersen auf den Rand seines Sessels. »Wenn es dazu beiträgt, Al Roussels Mörder zu fassen, habe ich nichts dagegen«, erklärte er. »Allerdings würde ich Sie bitten, das vertraulich zu behandeln.«
    »Darauf können Sie sich verlassen«, erwiderte Tibbs.
    Wolfram drückte auf einen Knopf. Als sich die Sekretärin meldete, sagte er nur: »Das Testament Roussel, bitte.« Dann warteten die beiden Männer. Als das Dokument hereingebracht wurde, reichte Wolfram es Tibbs.
    Nur das Rascheln des Papiers störte die Stille, während Tibbs las. Nach fünf Minuten gab er es zurück. »Ich danke Ihnen«, sagte er.
    »Keine Ursache.« Der Anwalt sah ihn an. »Kommen Sie vorwärts? Oder dürfen Sie mir da keine Auskunft geben?«
    Tibbs stand auf. »Es wird nicht mehr lange dauern.«
    Auf dem Rückweg ging er im Präsidium vorbei, doch der Mann, den er sprechen wollte, war zum Mittagessen gegangen. Um sich die Wartezeit zu verkürzen, setzte er sich in ein Selbstbedienungsrestaurant und verzehrte in Ruhe ein Sandwich, während er sich noch einmal alles durch den Kopf gehenließ.
    Er hatte sich ein Urteil gebildet. Jetzt versuchte er, die Grundlagen, auf denen dieses Urteil beruhte, wieder einzureißen. Doch diesmal schien das Fundament jeder Erschütterung standzuhalten. Ihm war klar, daß er ein gewisses Risiko auf sich nehmen und auf seinen guten Stern hoffen mußte, da er keine Zeugen zur Verfügung hatte. Das konkrete Material, das er gesammelt hatte, reichte vielleicht nicht aus, ein Schwurgericht zu überzeugen. Ehe der Tag um war, mußte er es entweder geschafft haben oder tief in der Tinte sitzen. Darüber wollte er sich jetzt nicht den Kopf zerbrechen. Wenn er sein Teil tat, so wie er

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