Totes Zebra zugelaufen
Chevrolet blinkte zurück. Tibbs hielt hinter ihm.
»Virgil Tibbs, Pasadena«, stellte er sich vor.
Der Beamte aus Los Angeles war noch ziemlich jung, hatte ein freundliches, aber energisches Gesicht. »Frank Sims, Mr. Tibbs. Ich habe schon von Ihnen gehört. Worum geht's?«
»Um Mord. Sie erinnern sich doch an den Toten, der in dem Nudistencamp gefunden wurde?«
»Ja. Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Ich will einen Verdächtigen festnehmen. Kann sein, daß er sich nicht kampflos geschlagen gibt.«
»Sie sind doch Träger des Schwarzen Gürtels, wenn ich nicht irre.«
»Stimmt.«
»Dann gibt's für Sie doch keine Probleme. Ich bin noch nicht halb soweit wie Sie, aber im Aikido habe ich schon allerhand gelernt. Bei einer Schlägerei kann ich mich natürlich meiner Haut wehren.«
»Dann macht es Ihnen also nichts aus? Ich möchte es nämlich lieber nicht zu einer Schießerei kommen lassen.«
»Okay.«
»Dann los. Wir müssen zwei Besuche machen.«
»Fahren Sie voraus.«
Tibbs fuhr an, der Chevrolet folgte ihm. Die beiden Wagen schlugen die Richtung nach Beverly Hills ein, hielten sich dann westlich und erreichten die vornehme Wohngegend von Bel Air. Sie bremsten schließlich vor der Villa von Mrs. Joyce Pratt.
»Ich fürchte, man wird uns hier nicht mit offenen Armen empfangen«, bemerkte Tibbs. »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mitkämen.«
Er warf einen Blick auf das Haus, dessen Fenster strahlend hell erleuchtet waren. Dann schritt er mit Sims an seiner Seite ruhig zur Tür und klingelte.
Das Negermädchen öffnete und blinzelte im Schein der Hauslaterne zu ihm auf. »Guten Abend, Mr. Tibbs.«
Tibbs war angenehm überrascht, daß sie sich noch an seinen Namen erinnerte. »Mr. Sims und ich hätten gern Mrs. Pratt gesprochen«, sagte er. »Ich weiß, daß sie Gäste hat, doch es handelt sich um eine Sache von größter Wichtigkeit.«
Das Mädchen führte sie in den kleinen Vorsaal und eilte dann ins Wohnzimmer. Tibbs sah, wie sie leise auf ihre Herrin einredete. Joyce Pratt war außerhalb seines Gesichtsfeldes, doch er hörte ihre Stimme deutlich: »Unmöglich. Um diese Zeit hat er nichts hier zu suchen. Sagen Sie ihm, daß ich nicht gestört werden will und seinen Besuch als eine Zumutung empfinde.«
Frank Sims stieß Tibbs in die Rippen. Tibbs wußte, was er zu tun hatte, und tat es, auch wenn es ihm schwerfiel. Er warf seinem Kollegen aus Los Angeles einen kurzen Blick zu, bedeutete ihm zu folgen und betrat dann das Wohnzimmer.
Sechzehn Menschen, die an vier Bridge-Tischen saßen, starrten ihn an. Zwei von ihnen waren Männer mittleren Alters, die übrigen Frauen. Sie alle hielten im Spiel inne. Die Unterhaltung brach ab.
»Mr Tibbs, Sie sind hier unerwünscht. Ich muß Sie bitten zu gehen.« Es war ein ärgerlicher Befehl. Die Gäste verfolgten die Vorgänge mit gieriger Aufmerksamkeit.
Virgil Tibbs sprach so leise, daß nicht jeder im Raum ihn hören konnte. »Mrs. Pratt, ich muß Sie um eine sofortige Unterredung unter vier Augen bitten. Es ist dringend. Ihre Gäste werden Sie sicher entschuldigen.«
»Mr. Tibbs, verlassen Sie mein Haus!« Ihre Augen funkelten, ihr zierlicher Körper wurde starr vor Empörung.
»Sie lassen mir keine Wahl. Ich hatte gehofft, Sie glimpflicher behandeln zu können.« Tibbs' Stimme war weiterhin leise und beherrscht. »Mrs. Pratt, ich muß Sie wegen Mordes an Albert Roussel verhaften. Ich fordere Sie auf, mich zu begleiten. Das Mädchen wird Ihren Mantel holen.«
15
Die kleine Frau saß reglos, das Gesicht gespannt. Als sie sprach, klang ihre Stimme gepreßt. »Mr. Tibbs, Sie sind von allen guten Geistern verlassen.«
»Keineswegs, Mrs. Pratt«, versetzte er. »Wenn Sie einen Menschen zum Mord anstiften, dann teilen Sie seine Schuld und müssen die Folgen auf sich nehmen.«
»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen.« Jedes Wort wurde mit eisiger Kälte akzentuiert.
»Dem Gesetz nach sind Sie eine Mörderin«, antwortete Tibbs. »Ich kenne die Person, die Sie für den Mord bezahlten. Ich weiß, wann es geschah und warum es geschah. Ich schlage vor, wir unterlassen jetzt jede weitere Diskussion. Ich empfehle Ihnen, vom Revier aus Ihren Anwalt anzurufen und sich über Ihre Rechte als Bürgerin der Vereinigten Staaten aufklären zu lassen.«
Joyce Pratt ballte ihre Hände und trommelte auf die Tischplatte. Sie stand von ihrem Stuhl auf. Unkontrollierter Zorn sprühte in ihren Augen. Sie schüttelte so heftig den Kopf, als wollte sie eine schreckliche Vision
Weitere Kostenlose Bücher