Totgekuesste leben laenger
nach der Polizistin um, die noch ziemlich jung aussah und gerade mit einer Krankenschwester im rosa Kittel sprach. Sie hatte meinen Führerschein einkassiert, was höchstwahrscheinlich bedeutete, dass mein Dad schon unterwegs war. Ich hatte ihn angerufen, ihm aber nicht mehr verraten, als dass es mir gut ging und ich mit Josh im Krankenhaus war.
Beim Anblick der Krankenschwester krampfte sich mein Magen vor Sorge zusammen. Sie hatten Josh sofort weggebracht, als ich erzählte, er wäre beim Laufen zusammengebrochen. Diese Frau in dem rosa Kittel war der erste Krankenhausmensch, den ich seitdem gesehen hatte, und sie verriet mir nichts. Blöder Datenschutz.
Wenigstens war Grace bei ihm, obwohl der Schutzengel alles andere als glücklich darüber war. Sie war sogar extrem angepisst. Ich glaube, die hätten mich im Krankenhaus beinahe unter Beobachtung gestellt, als ich mich im Flüsterton so lange mit ihr herumstritt, bis sie klein beigab. Er war bewusstlos und ich nicht, also brauchte er sie dringender. Klarer Fall. Die Polizistin erhob die Stimme und ich wurde nervös, als beide Frauen zu mir herüberblickten. Sie sagten noch etwas und trennten sich dann. Die Krankenschwester verschwand im Flur und die Polizistin kam zu mir. Ich konnte mich nicht mehr an den Namen erinnern, den sie mir bei unserer ersten Unterhaltung genannt hatte, aber auf ihrem Namensschild stand B. Levy. B wie Betty? Bea? Barbie? Auf keinen Fall.
Nicht mit so einer Pistole am Gürtel.
Officer Levy kam mir für meinen Geschmack einen Tick zu nahe. Ihre gesundheitsbewussten Schuhe wiegten sich leise auf dem Teppich, als sie stehen blieb. Ich ließ die Augen an ihrer sorgfältig gebügelten Hose hinaufwandern, über den Gürtel, an dem ihre Waffe sicher in ihrem Halfter hing, die gestärkte Bluse und das Namensschild, bis ich schließlich bei ihrem Gesicht angelangte. Sie wirkte zu jung, um schon lange Polizistin zu sein, und ich registrierte gereizt, dass sie sich um einen mütterlich besorgten Gesichtsausdruck bemühte. Klar, als hätte sie selbst schon Kinder, oder was? Wohl kaum.
Eigentlich sah sie sonst ganz nett aus, mit ihrem kurzen rotblonden Haar, den haselnussbraunen Augen, ein paar wenigen Sorgenfältchen und ihrer sonnengebräunten Haut. Sie sagte nichts. Als sie die Augenbrauen hochzog, guckte ich schnell weg. Klar konnte sie mir einen Strafzettel wegen rücksichtslosen Fahrens und Nichtbeachtens roter Ampeln verpassen, aber welcher Oberschülerlotse, welcher prinzipienreitende Tugendbold würde wirklich darauf bestehen, wenn man einen verletzten Freund ins Krankenhaus brachte?
»Josh geht es besser«, sagte sie und mein Blick schoss überrascht nach oben.
»Danke«, flüsterte ich. Meine Schultern senkten sich erleichtert. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich sie angespannt hatte.
»Beim Schulfest gab's ein Notarztzelt«, fuhr sie fort und nahm neben mir Platz. Sie seufzte, als ihre Füße entlastet wurden, und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Sie war viel zu aufgeweckt für eine Polizistin. Aufgeweckt, ich hasste es, wenn Leute mich so nannten, aber genau so sah sie aus: lustig und energiegeladen, wie jemand, der für ein bisschen Action auch schon mal über die Stränge schlug. »Warum hast du ihn nicht dahin gebracht, statt die ganze Stadt in Angst und Schrecken zu versetzen?«, fragte sie. Sie war kein bisschen so wie die Polizisten, die mich nach Hause gebracht hatten, als ich mich während eines Hurrikans der Stufe 1 aus Moms Haus geschlichen hatte. Mann, das war vielleicht ein Drama gewesen.
»Ich wusste nicht, dass es dort ein Notarztzelt gibt«, entschuldigte ich mich. Was sollte ich ihr denn erzählen? Dass ein schwarzer Engel versucht hatte, Josh zu töten, und er deshalb jede ärztliche Hilfe brauchte, die er kriegen konnte?
Officer Levy schmunzelte. »Du fährst ziemlich gut«, sagte sie und ich lächelte gequält.
»Danke.« Als ihr Blick an meinem Ellbogen hängen blieb, mit dem ich Nakita einen Stoß versetzt hatte, hörte ich auf, ihn zu reiben und verschränkte stattdessen die Finger. Sie setzte sich aufrechter hin und ich seufzte. Und los geht 's mit der Predigt. »Ich habe deine Eltern angerufen«, fing sie an. Erschreckt wandte ich mich zu ihr um. »Sie haben meine Mom angerufen?«, fragte ich ernsthaft besorgt. Sie würde ausflippen.
»Nein, deinen Dad. Für jemanden in deinem Alter hast du wirklich eine beunruhigend dicke Akte, Madison.«
Meine Akte war mir egal, es stand nichts wirklich Schlimmes
Weitere Kostenlose Bücher