Totgelesen (German Edition)
die Hofer machte, überlegte Monika, was sie sonst glauben sollte. Hofer nahm ihr die Überlegung ab, indem er weitersprach: »Der Typ hat jemanden angeheuert, um bei sich selbst einzubrechen. Damit er beim nächsten Mord aus dem Schneider ist.«
»Wieso sollte er so etwas tun? Er bräuchte doch nur zu warten, bis sein neues Buch fertig ist. Wozu der Aufwand, bei sich selbst einbrechen zu lassen?«
»Er hatte mit Sicherheit gute Gründe, nicht auf die Fertigstellung des Buches zu warten. Ich habe zwar keine Ahnung von Schriftstellerei, aber ein paar Monate wird es sicher dauern, bis so ein Buch erscheint. Das dauert ihm vielleicht zu lange. Er hat zwei Mal gemordet und er will es wieder tun.« Hofer setzte den Blinker und bog ab - ohne auf den restlichen Verkehr zu achten.
***
»Sie erwarten aber nicht von mir, dass ich hier bleibe und mit Ihnen quatsche? Am Vormittag musste ich auf meine Autofahrt verzichten, nur damit Ihre unfähigen Kollegen mein ganzes Haus auf den Kopf stellen konnten. Mich jetzt auch noch mit Ihnen abzugeben, dazu habe ich wirklich keine Zeit.«
Diesmal fanden sie Beiel in seinem Wohnzimmer, dessen Einrichtung sicher mehr gekostet hatte, als Monikas ganze Wohnung. Alleine der weiße Teppich, der auf dem Granitboden lag, musste ein Vermögen wert sein. Oder die Marmorbüste vor dem Panoramafenster, die aussah, als hätte Botticelli seine Venus selbst in Stein gehauen. Doch trotz all des Luxus wirkte der, ausschließlich in schwarz und weiß gehaltene Raum, kalt und feindlich.
Beiels weißer Trainingsanzug sah aus, als ob er auf die Einrichtung des Wohnzimmers abgestimmt worden wäre, als ob Beiel jegliche Farbe aus seinem Leben streichen wolle.
»Es ist uns scheißegal, ob sie Zeit haben oder nicht!« Monika starrte demonstrativ auf das Weinglas in Beiels Hand, das er daraufhin augenblicklich abstellte.
»Wir wollen wissen, warum gestern bei Ihnen eingebrochen wurde und was genau fehlt.«
»Na, was glauben Sie wohl. Jemand hat das Manuskript für mein neues Buch geklaut.« Eine Ader pochte zornig auf Beiels Schläfe. Das Blau seiner Augen verwandelte sich zu Eis.
»Worum ging es denn in dem Manuskript?«
Nicht mehr ganz so laut, dennoch reichlich aggressiv, stellte Monika ihre Frage.
»Sie können mit ihrer Einschüchterungstaktik jemand anderen verarschen, mich nicht. Ich sage ihnen keine Silbe.« Mit diesen Worten nahm er sein Glas wieder auf und trank das blutrote Gesöff in einem Zug aus.
Obwohl sie sicher war, damit keinen Erfolg zu haben, versuchte Monika es auf sanftere Art. »Herr Beiel, wir ermitteln in zwei Mordfällen, die exakt wie in Ihren Büchern abgelaufen sind. Jetzt erfahren wir, dass Ihr neuestes Manuskript gestohlen wurde, was die Schlussfolgerung zulässt …«
Beiel unterbrach sie. »Dass jemand mein Buch gesehen hat, bevor es fertig ist. Somit kann ich es wegwerfen. Die Arbeit von mehreren Monaten ist zum Teufel. Ich kann das Manuskript nicht mehr veröffentlichen; ich kann nicht damit leben, dass es jemand gelesen hat, bevor es fertig ist.«
Er schleuderte sein Weinglas gegen die Wand. Rote Spritzer verfärbten die weiße Mauer.
»Herr Beiel!« Hofer hatte überraschenderweise bisher die Befragung Monika überlassen, nun mischte er sich gereizt ein.
»Ob Sie Ihr Buch veröffentlichen oder nicht, interessiert uns überhaupt nicht. Wahrscheinlich ist es sogar besser, wenn Ihre kranken Fantasien nicht an die Öffentlichkeit kommen. Aber wir haben zwei Leichen, um die wir uns kümmern müssen und die sind leider real. Wenn der Täter Ihr Manuskript hat, weiß er, wie er weiter vorzugehen hat - und wir nicht.« Schweißperlen glänzten auf Hofers Stirn. Ausbeulungen an seiner dicken Winterjacke ließen erahnen, dass er die Hände in den Taschen zu Fäusten ballte. »Die andere Möglichkeit wäre, dass Sie uns verarschen und Sie selbst der Mörder sind.«
Für mehrere Sekunden starrte Beiel nur die Glasscherben an, die vom künstlichen Licht beschienen, glitzerten. Als Monika zu einer neuerlichen Frage ansetzen wollte, wandte er sich an Hofer.
»Ich bin müde, da ich zu wenig geschlafen habe. Ich bin sauer, weil ich jetzt von vorne beginnen kann mit einem neuen Buch, und ich bin amüsiert, wenn ich Ihnen so zuhöre, Herr Inspektor. Das Einzige, das ich sicher nicht bin, ist hilfsbereit. Sie können mich mal. Von mir bekommen Sie mein Buch sicher nicht. Finden Sie den Einbrecher und holen Sie es sich von ihm!« Mit jedem Satz war Beiels Stimme lauter
Weitere Kostenlose Bücher