Totgelesen (German Edition)
normal sprechen.« Sabine lachte und strich über Martins Kopf. Der Junge lachte auch und versuchte, seine Mutter zu kitzeln. Die wich ihm aber geschickt aus und schnappte seine Hand.
»So genug jetzt. Komm, geh mit Tante Moni ins Wohnzimmer, ich geh zu Chris und rede mit ihm.«
»Nein, lass mich. Ich glaub, es hat mit mir zu tun.« Monika hielt ihre Schwester zurück.
»Okay, wie du meinst. Aber wenn du Verstärkung brauchst, ruf uns.« Sabine drohte ihrem Sohn mit einer erneuten Kitzelattacke, was Martin laut lachend ins Wohnzimmer flüchten ließ.
Unterdessen ging Monika ins Kinderzimmer. Christoph hatte sich in ihrem Geheimversteck verschanzt.
»Was ist los, mein Schätzchen, was ist passiert?«
Christophers verweintes Gesicht kam hinter einem Kuscheldinosaurier hervor. »Du bist so gemein, wir haben dich in unsere Bande aufgenommen und haben dir den Schatz geschenkt und du …« Weitere Tränen kullerten über seine kleinen Wangen.
»Wovon redest du?« Monika wischte ihm die Wange mit einem Stück Decke, das anstelle der Eingangstür vor ihre Burg gespannt war, ab.
»Du hast sie vergessen.« Anstatt sich zu beruhigen, wurde der Junge immer aufgebrachter. »Du hast unser Geschenk einfach vergessen.«
Auf einmal wurde ihr bewusst, wovon er sprach. Der Schatz, den sie ihr geschenkt hatten … und sie trug die Kette nicht. Sie hatte sie noch nie getragen.
»Oh Chris, das tut mir leid. Ich habe sie heute Morgen beim Duschen abgenommen, dann klingelte das Telefon … ich habe sie im Badezimmer vergessen.« Das war eine kleine Notlüge, um ein gebrochenes Kinderherz zu heilen.
»Heißt das, du trägst sie sonst?« Mit verweinten Augen sah der kleine Junge sie hoffnungsvoll an.
»Aber natürlich, mein Schatz, immer.« Es tat ihr weh, den Kleinen anzulügen, aber noch mehr schmerzte es, ihn leiden zu sehen. Christoph wischte sich mit seinem Handrücken über die Augen, zog die Nase hoch und setzte sich aufrecht hin.
»Wusste ich eh.«
»Weißt du was, ich bin heute Abend zu einem Fest eingeladen. Da komm ich vorher noch bei euch vorbei und beweis es dir. Und jetzt gehen wir rüber und sehen mal nach, was deine Mama heute Gutes gekocht hat.« Während sie aus dem Versteck kroch, hörte sie Christoph sagen: »Tante Moni, sag Martin nichts davon, bitte.«
***
Am Abend, kurz nach acht Uhr, läutete Monika erneut an der Wohnungstür ihrer Verwandten. Wieder wurde die Tür von ihren Neffen - diesmal schon im Pyjama - geöffnet. Doch anstelle Monika wie üblich freudestrahlend zu umarmen, blieben die zwei stehen und blickten ihre Tante unschlüssig an. »Wow, du siehst ja aus wie die Barbie, die Nadine immer im Kindergarten mit hat.«
Monika trug einen dunklen, kurzen Rock und eine hellblaue, stark taillierte Bluse. Ein krasser Gegensatz zu den weiten Oberteilen, die sie sonst immer anhatte. Zusätzlich waren die oberen Knöpfe offen, sodass ab und zu die Spitze ihres BHs heraus blitzte. Über ihren Brüsten baumelte eine Goldkette mit einem Anhänger, der ein blaues Auge darstellte. Als Christoph die Kette sah, war Monikas Aufmachung schnell vergessen. Er warf sich in ihre Arme und Martin folgte sogleich seinem Beispiel. Mit je einer Hand kitzelte sie ein Kind, als ihre Schwester ins Vorzimmer trat.
»Wen willst du denn heute aufreißen?«
»Was soll das denn heißen? Ich gehe nur mit Kollegen aus.« Sie blickte eher unsicher als eingeschnappt zu ihrer Schwester.
»Nichts, ich kenn dich nur nicht so …«, nach einer Pause vollendete sie, »aufgedonnert.«
»Danke. Aber ich bin nicht aufgedonnert.« Monika spielte die Beleidigte. Sie hatte einfach Lust, sich einmal in Schale zu werfen, einmal etwas anderes auszuprobieren. Warum nicht? Warum musste ihre Schwester darauf herumreiten? Heute würde sie mal eine Bluse tragen und morgen eben wieder einen Pulli. Was war da schon dabei?
»Ich sehe immer so aus, wenn ich fortgehe. Das letzte Mal, als ich den Abend mit einem langweiligen Zahnarzt verbringen durfte, auch.«
***
Acht Spritzer, drei Flügerl und sechs Whisky-Cola später war Monikas Unsicherheit verflogen. Beiel war verhaftet, daran konnte und wollte sie nichts ändern und ihr Outfit kam bei den Kollegen gut an. Das Letztere war allerdings vorauszusehen, da die meisten ihrer Kollegen Männer waren. Vielleicht hatte ihre Schwester recht - es war nicht ihre Art, sich so zu kleiden. Aber heute hatte sie Lust dazu. Sie wollte niemanden aufreißen, sie wollte nur mal nicht die graue Maus sein, die
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