totgequatscht: Maggie Abendroth und der Teppich des Todes (German Edition)
deutsche Bestattungskultur interessiert … Könnte doch ein neues Segment für Quality-TV sein. Urnen lassen sich prima mit der Post verschicken.«
Möhls Kopf schwoll auf die doppelte Größe an und war so rot, dass ich, um Hassan eine Freude zu machen, das Handy unauffällig aus der Hosentasche holte und Möhl heimlich aus der Hüfte abschoss, als er um Fassung ringend das Personalbüro verließ. Bevor ich an meinen Arbeitsplatz zurückging, genehmigte ich mir noch eine Zigarette auf der Toilette der Firmenleitung und ließ mir dabei jede Menge Zeit. Eine Warteschleife läuft so schnell nicht davon.
Vielleicht hatte jemand meine Gebete erhört, denn als ich ins Callcenter zurückkehrte, waren Danuta und Walburga verschwunden. Hassan nahm sein Handy wieder in Empfang und machte unter dem Tisch das Victoryzeichen, als er den Schnappschuss unseres geliebten Teamleiters sah. Möhl saß an seinem Schreibtisch und ignorierte mich, so gut er konnte.
Mein nächster Kunde wollte es wohl besonders spannend machen und sagte erst mal nichts. Ich wartete.
»Wie bitte? Entschuldigung, ich kann Sie kaum verstehen«, sagte ich.
»… die Polizei?«
Ich warf einen Blick auf das laufende Fernsehbild, wer weiß, was ich im Angebot verpasst hatte? Polizeispielzeugautos mit Sirene und Blaulicht? In diesem Laden war schließlich alles möglich. Ich sah unsere Diamantenlady Sonja, die eben ein Collier über ihre runzelige Hand gleiten ließ.
»Nein, hier ist nicht die Polizei. Hier ist Quality-TV. Möchten Sie etwas bestellen? Wie heißen Sie, bitte?«
»Da ist was …« Die Stimme des Anrufers war sehr, sehr leise, und ich glaubte noch immer nicht, was ich hörte.
»Sie haben sich bestimmt verwählt.« Ich wollte den Anruf beenden, Irre gab es immer wieder, besonders in der Vorweihnachtszeit. Aber der Mann flüsterte: »Nein! Rufen Sie die Polizei!«
Irgendwie klang es ernst. Also tat ich, was die Notrufzentrale vielleicht auch getan hätte, und fragte: »Wo wohnen Sie und wie heißen Sie?«
»Taubenstraße 14 … Hallo, die Polizei … stopp! Nicht!«
»Welche Stadt?«, rief ich.
Hassan rollerte auf seinem Stuhl rückwärts aus seinem Cube und guckte mich unverwandt an. Ich kritzelte auf einen Zettel den Straßennamen und das Wort ›Polizei‹ und hielt es ihm hin. Am anderen Ende der Leitung hörte ich ein Poltern, als würde ein Stuhl umfallen.
»Sprechen Sie mit mir. In welcher Stadt wohnen Sie, wie heißen Sie?«
Hassan rollerte kopfschüttelnd wieder zurück. Er hatte einen Kunden in der Leitung.
»Bochum … Es geht um Sch …«, rief der Mann. Dann folgte ein Schrei … jemand fluchte … ein Stöhnen … »Hilfe …!«, ein dumpfer Aufprall, und dann war die Leitung tot.
»Scheiße! Hallo, hallo!?«
Und schon hatte ich den nächsten Anrufer am Ohr. Ich unterbrach das Gespräch, loggte mich aus und winkte Möhl zu. »Ich muss dringend telefonieren. Hier ist jemand in seiner Wohnung überfallen worden.«
»Was Sie nicht sagen.«
»Während ich mit dem telefoniert habe!«
Möhl verschränkte seine dicken Ärmchen vor der Brust.
»Ist ja unglaublich. Wenn Ihnen langweilig ist, Frau Abendroth, denken Sie sich doch was Interessanteres aus. Und jetzt bitte weiterarbeiten.«
Ich schnappte mir sein Telefon, das einzige in der Etage, mit dem hinaustelefonieren konnte, und wählte Winnies Handynummer. Dort sprang die Mailbox an. Ich erklärte ihm, was passiert war und dass er mich dringend unter der Teamleiter-Telefonnummer im Callcenter zurückrufen solle. Möhl war aufgestanden und versuchte, mir den Hörer aus der Hand zu nehmen.
Hassan kam und hielt mir einen Zettel hin. »Glück gehabt. Hier, ich hab die Straße und die Hausnummer bei Klicktel aufgerufen. Da wohnen vier Parteien im Haus. Hast du einen Namen?«
»Irgendwas mit Sch… dann war Ende … Als ob der eins über den Schädel gekriegt hat.«
»Können Sie endlich mal mit der Posse aufhören? Herr Al-Kindi, von Ihnen hätte ich was anderes erwartet«, rief er.
Hassan ignorierte Möhls Gezeter und sagte: »Es gibt einen Schmicke, Hugo in der Taubenstraße 14. Sonst niemanden mit S C H.«
Ich wählte die Telefonnummer von Hugo Schmicke. »Anrufbeantworter. Ich ruf jetzt die 110 an.«
Möhl schlug mit der Faust auf seinen Schreibtisch. In den Cubes wurde schon gekichert und getuschelt.
Nach ein paar Minuten hatte ich meine Geschichte erzählt, und der Diensthabende versprach, sobald wie möglich einen Streifenwagen zu schicken. Seinem Tonfall
Weitere Kostenlose Bücher