totgequatscht: Maggie Abendroth und der Teppich des Todes (German Edition)
Und damit hat sich die Sache. Ich muss jetzt zur Arbeit. Und wenn ich darf, komme ich nächste Woche gerne zur Kartoffelsuppe.«
»Ich versuch ’ne Thailändische. Mit Ingwer. Kannz dich schomma drauf freuen. Bissitage und bleib sauber. Ach, und wenn’ze noch’n Job brauchss, also beim Matti, da wär’ ja immer …«
»Ich weiß.«
»Der Job is krisenfest. Gestorben wird immer«, rief sie mir hinterher. Das wusste ich selbst, aber heißt, etwas zu wissen auch automatisch, dass man danach handeln muss?
Der Lärmpegel im Callcenter pendelte gegen Massendemonstration. Ein Blick auf den Fernseher: Geschenke aus der Keramik- und Porzellanmanufaktur Paolo L. Zwei Stunden lang Piepmätze, Vogelhäuschen, tanzende Ballerinen und Aschenbecher in der Form von Italien. Hassan hatte mir den Cube neben sich freigehalten. Als wir nach drei Stunden Dauerquasselei eine Pause machen durften, war mein Gehirn ausgehöhlt bis auf die letzte Nervenzelle. Wir rannten zum Aufzug. Schnell eine Zigarette und einen Kaffee aus dem Automaten, bevor der Wahnsinn weiterging. Auf dem Weg ins Freie fragte ich Hassan, wie ich so schnell wie möglich an ein Stretchmieder kommen könnte.
»Frag Walburga, die hat davon jede Menge im Schrank«, feixte er.
»Ich will kein Gebrauchtes, du Heiopei … ist für eine Freundin.«
»Frag Walburga, sag ich.«
»Und ich hab gesagt …«
Hassan zündete zwei Zigaretten an, gab mir eine und rollte die Augen. »Vom Lastwagen gefallen«, raunte er. »Sei nett zu ihr. Da kommt sie schon.«
Walburga versuchte an uns vorbeizugucken. Ich stellte mich ihr in den Weg und sagte: »Hallo. Ich hab da mal eine Frage.«
Sie blieb stehen und fixierte mich, als sei ich ein fieses Insekt, das auf ihrem Nutellabrot herumkraucht.
»Ich brauche einen Stretchbody in XXXL, und ich hab gehört …«
»Dann bestell einen.«
»Walburga«, sagte Hassan. »Alle wissen, dass du immer was auf Halde hast.«
»Aber nicht für jeden.« Sie quetschte sich an uns vorbei. Als sie schon am Aufzug angekommen war, sagte ich so beiläufig wie möglich: »Ich hätte ihr Karten für
Wer wird Millionär?
besorgt, aber so …«
Im nächsten Moment stand sie wieder vor uns. »Ich hab nur noch einen in XXL – zu knapp für dich«, sagte sie.
Ich schluckte die Beleidung herunter und sagte freundlich: »Kannst du noch ein X drauflegen? Ist für eine gute Freundin.«
Walburga schien enttäuscht, weil sie keinen Streit vom Zaune brechen konnte. »Muss ich nachgucken. Ich fahr nachher noch mal nach Hause, weil ich geteilte Doppelschicht hab. Dreißig Euronen, cash, versteht sich.«
»Ist gut«, sagte ich schnell. »Farbe ist egal.«
Als sie weg war, fragte Hassan: »Und wie kommst du jetzt an die Karten für
Wer wird Millionär?
?«
»Gar nicht. Hab ich irgendwas zu
ihr
gesagt?«
Wir schnippten die Zigaretten in den Aschenbecher und gingen zum Lift. Das Klappern hoher Absätze kündigte die Ankunft von Danuta an. Hassan hielt die Aufzugtür auf. Sie kam um die Ecke gesegelt, sah uns und hätte am liebsten verzichtet.
»Hallo«, sagte Hassan. »Spät dran heute?«
Sie warf sich in Positur und stöckelte in die Kabine. Ein süßlicher Duft machte sich im Aufzug breit.
Hassan lächelte und sagte: »Danuta! Du duftest mal wieder wie die Gärten des Orients.«
Der Aufzug sauste aufwärts. Sie rückte näher an Hassan heran und säuselte: »Ganz neu. Kommt erst heute Abend in der Sendung. Weihnachtsspecial. Super, ne? Pötti Papa Nöll.«
»Wie?«, sagte ich.
»Dass du das nicht weißt …! Das ist Französisch«, wurde ich von ihr belehrt. »Die sagen da zum Nikolaus Papa Nöll. Und Pötti heißt klein.«
Wir starrten angestrengt an die Decke, und Hassan sagte unter Aufbietung aller Selbstbeherrschung: »Das wusste ich gar nicht.«
Danuta öffnete ihre weiße Lackledertasche und holte den Flakon hervor. Ein Nikolaus aus bemaltem Pressglas. Die Kriegsbemalung überdeckte noch nicht mal die wulstige Naht der Flasche. Wenn sie zu viel davon hatten, würden sie die Dinger zu Ostern umlackieren auf Hase, und dann würde das Zeug bestimmt
L’eau de Rammlér
heißen.
Der Aufzug hielt, und unsere polnische Prinzessin schwebte in ihre Nöll-Wolke gehüllt in die Legebatterie.
Walburga hielt tatsächlich Wort. Kurz bevor meine Schicht zu Ende war, stand sie mit einem Päckchen neben meinem Cube. Ein XXXL-Zauber-Body in Nude. Ich holte dreißig Euro aus meinem Portemonnaie. Der Body verschwand in meiner großen Tasche, bevor Möhl, der seit
Weitere Kostenlose Bücher