Totgesagt
ergaben?
“Na schön, Herr Detektiv, dann erstatten Sie mal Bericht. Wo waren Sie den ganzen Tag?”
“Unterwegs.”
“Erwähntest du bereits.”
“Vertrau mir doch mal!”
“Vertrauen wäre ein Verstoß gegen das soeben vereinbarte Sachlichkeitsgebot. Also, Fakten, bitte!”
Seine Mine verdüsterte sich. “Mensch, Maddy, lass das! Du …”
“Ja?”
“Du bringst mich um den Verstand.”
So leicht ließ sie sich nicht abfertigen. “Jeder andere Detektiv würde mir ordentlich Bericht erstatten.”
“Für heute hast du genug durchgemacht. Da muss ich meinen Senf nicht auch noch dazugeben. Jedenfalls nicht jetzt.”
“Anderen wär’s egal, was ich mitgemacht habe. Also kann’s dir ebenfalls wurscht sein.”
“Ist es mir aber nicht, verdammt noch mal!” Die Gäste am Nebentisch drehten befremdet die Köpfe. Hunter dämpfte die Stimme. “Und Beweise habe ich sowieso nicht!”
Bildfetzen vom Tag zuvor wirbelten ihr durch den Kopf. Sein drängendes Verlangen, seine Lippen auf ihrem Hals, seine Arme um ihre Schenkel.
Die Augen fest zugekniffen, verdrängte sie diese Anwandlungen. “Los, nun sag schon!”
Die Eiswürfel stießen klirrend ans Glas, während er einen Schluck nahm. Nach Madelines Eindruck spielte er auf Zeit. Sie räusperte sich. “Ich warte!”
“Ich glaube nicht, dass Clay deinen Vater auf dem Gewissen hat.”
Abgelenkt von ihrem Verlangen und ihrer Angst, sagte sie erst einmal gar nichts und ließ die Auskunft sacken. Es dauerte eine Weile, ehe sie begriff, dass dies eine gute Nachricht war. Möglicherweise. “Wieso?”, fragte sie dann zögernd. “Weil er damals zu jung war?”
“Deswegen nicht”, beschied er unwirsch und ohne Rücksicht, so wie sie es verlangt hatte. “Er war und ist immer noch körperlich am ehesten dazu in der Lage – als größter, stärkster, ältester. Rein statistisch gesehen wird die Mehrzahl aller Morde ohnehin von Männern begangen.”
“Hast du nicht gerade gesagt, er war’s nicht?”
“Eben.”
“Ja, warum denn nicht?”
Er senkte den Blick auf ihre Lippen. Sie spürte, dass er genauso fühlte wie sie. Jedes Mal, wenn sie zusammen waren, meldete sich dieses Kribbeln, direkt unter der Haut. Seit gestern allerdings noch viel intensiver.
“Wir sprachen von Clay”, mahnte sie ihn, um das Flattern im Bauch zu unterdrücken.
Er schluckte. “Einer wie Clay verlässt sich nicht darauf, dass die Familie dichthält und ihn mit einer Mauer des Schweigens umgibt. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass er erst deinen Vater umbringt und dann eine umfangreiche Verdunkelungsoperation inszeniert, alles nur zu seinem Schutz. Der würde sofort abhauen, sich so schnell wie möglich von seinen Angehörigen trennen, damit die nicht unter den Folgen seiner Tat leiden müssen.”
Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, was seinen Blick erneut auf ihren Mund zog. “Wenn er es nicht war – wer dann?”
“Ein Mensch, den er sehr gern hat. Den er schützen möchte.”
Hunter durchschaute Clay schon besser als nahezu jeder andere in Stillwater – geradezu beängstigend, denn Madeline konnte seine Denkweise unschwer nachvollziehen. Zum ersten Mal gab es Grund zu der Hoffnung, dass jemand mit der richtigen Fachkenntnis die damaligen Ereignisse unvoreingenommen unter die Lupe nahm.
Dennoch: So ganz mochte er ihre Familie noch nicht freisprechen. “Irene weiß, was damals passiert ist. Allmählich kann sie dem Druck nicht mehr standhalten.”
Madeline merkte, wie die Angst schlagartig ihr Verlangen überlagerte. “Wie kommst du darauf?”
“Ich habe mit ihr gesprochen.”
“Was? Du hast mit
meiner
Mutter gesprochen?”
“
Du
tust es ja nicht!”, zischte er heftig.
Sie schlug den Blick nieder. “Ich weiß nicht, was ich ihr sagen soll.”
“Na, du könntest zumindest ihre Anrufe entgegennehmen. Sie macht sich Sorgen um dich!”
“Braucht sie nicht. Der Einbruch letzte Nacht, der war ja halb so wild. Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr glaube ich an einen Jux. Da will uns wer auf ‘ne falsche Fährte locken, verstehst du? Dass ich dich hier angeschleppt habe, das stößt den Leuten sauer auf. Sogar meiner Tante. Dabei hatte ich angenommen, die wäre begeistert.”
“Ich glaube nicht, dass es ein Witzbold gewesen ist”, warf er ein.
“Könnte aber so gewesen sein”, beharrte sie.
Er schüttelte den Kopf. “Irene sieht das anscheinend genauso wie ich.”
“Du führst meine Stiefmutter als glaubwürdige Quelle
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