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Totgesagt

Totgesagt

Titel: Totgesagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Novak
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kehren um.”
    “Sie kennen sich hier doch gar nicht aus!”
    “Sie können mich ja dirigieren.”
    Er rechnete schon damit, dass sie sich weiter sträuben würde. Immerhin kannten sie sich erst ein paar Stunden, und trotzdem wollte er gleich das Lenkrad übernehmen. Aber sie musste wohl noch erschöpfter gewesen sein, als er angenommen hatte, denn sie nickte resigniert und öffnete die Fahrertür.
    “Jetzt noch circa zwanzig Meilen, dann auf die Route 70 West. Danach auf den Highway 45 South, dem folgen Sie rund fünfundvierzig Meilen. Dann auf die Route 72 East bis zum Mississippi Highway 365. Da wecken Sie mich. Den Rest helfe ich Ihnen.”
    “Alles klar”, bestätigte er, und sie tauschten die Plätze.
    Zehn Minuten später schlief sie tief und fest, den Kopf gegen die Seitentür gelehnt. Er hingegen war hellwach und versuchte sich einzureden, dass er sie so attraktiv eigentlich gar nicht fand.
    Der Bundesstaat Mississippi hatte bei Hunter stets ganz bestimmte Bilder hervorgerufen: prächtige Landhäuser aus der Epoche noch vor dem amerikanischen Bürgerkrieg, umrahmt von bemoosten Magnolienbäumen unweit riesiger Baumwollplantagen – und natürlich der mächtige Fluss selbst, der sich in zahlreichen Schleifen behäbig durch sumpfige Niederungen mit mannshohem Schilf wälzte. Im Augenblick aber befanden sie sich im nordöstlichen Zipfel des Bundesstaates, dicht an der Grenze zu Tennessee und Alabama – also in hügeligem Gelände, das ganz und gar nicht Hunters Vorstellungen entsprach. Stattdessen blickte er auf Eichen und Ahornbäume sowie diverse Koniferenarten.
    “Sind wir schon da?”, murmelte Madeline schlaftrunken, als Hunter an einer Kreuzung vor einem Stoppschild hielt.
    “Ich bin gerade durch einen Ort namens Corinth gekommen. Vielleicht hab ich ja irgendwie den Highway 365 verpasst.”
    Sie strich sich das üppige, kastanienbraune Haar aus dem Gesicht, setzte sich auf und spähte durch die Scheibe. “Fahren Sie ruhig weiter, es sind noch ein paar Meilen bis zur 365.”
    Hunter beschleunigte den Corolla, und bald schon passierten sie eine weitere Kirche. Wie viele davon konnte so eine spärlich besiedelte Gegend überhaupt unterhalten? Zugegeben, es waren eher Kapellen mit nur einem einzigen Raum, zumeist aus Holz erbaut, mit spitzem Dach und Turm. Aber in den vergangenen zehn Minuten war Hunter an etlichen davon vorbeigekommen, alle mit fantasievollen Bezeichnungen wie
Signs of Life
oder
Shady Grove
.
    “Wie nannte sich denn die Kirche Ihres Vaters?”, erkundigte er sich.
    Sie gähnte unterdrückt. “
Purity Church of Christ
, die christliche Gemeinde der Reinheit.”
    “Wohl nach Ihnen benannt, wie?”
    “Irgendwann werde ich’s noch bereuen, dass ich Sie an meiner sexuellen Vergangenheit habe teilhaben lassen”, nuschelte sie. “Sagt mir mein Gefühl.”
    “Warum nur? Ich bin wirklich beeindruckt.”
    Sie musterte ihn argwöhnisch. “Das hört man.”
    “Nein, wirklich!”
    “Wie alt waren Sie denn bei Ihrem ersten Mal?”
    “Jedenfalls jünger als zweiunddreißig.”
    “Um zehn Jahre?”
    “Noch jünger.”
    “Neunzehn?”
    “Achtzehn.”
    “Das geht ja gerade noch. Jedenfalls für einen aus Kalifornien.”
    Er lachte verhalten. “Ich wette, in den letzten fünf Jahren konnten sie mir gegenüber einiges aufholen.”
    “Wie kommt’s? Bereiten Sie sich etwa auf ein Priesteramt vor?”
    Das nicht. Er hatte vielmehr ausweglos in seiner Ehe festgesteckt. Einer Ehe mit einer Frau, die er am Ende nicht mehr ausstehen konnte. “Ich bin nicht sonderlich religiös. Meine Eltern haben mich während der Kindheit zu sehr damit drangsaliert. Davon habe ich mich noch nicht erholt.”
    “Mein Vater hätte Sie auf den rechten Weg zurückgeführt”, behauptete sie. “Er hätte Sie bekehrt. Sie hätten ihn mal hören sollen, wenn er predigte.”
    Davon war Hunter zwar nicht überzeugt, doch das behielt er lieber für sich. “Wer übernahm denn nach seinem Verschwinden die Gemeinde?”
    “Reverend Portenski.”
    “War der vielleicht besonders hinter dieser Stelle her?”
    “Der wohnte ja nicht mal hier, als mein Vater verschwand. Er hat erst Wochen später von der Vakanz erfahren und sich dann auf die Stelle beworben.”
    Dieser Portenski schien demnach kein Motiv für einen Mord zu haben. Noch wollte Hunter aber niemanden von seiner Liste streichen.
    “Hier abbiegen”, befahl sie.
    Hunter tat wie geheißen. “Sind Sie eigentlich viel rumgekommen?”
    “Kann ich nicht wirklich

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