Totgesagt
schrägen Seitenblick zu. “Haben Sie ihm gesagt, er soll mich das fragen?”
“Sie sehen eben jung aus”, erwiderte sie achselzuckend.
“Ich sehe mich eher als eine Art staatlich anerkanntes Arschloch – harmlos wirkend, aber sonst brandgefährlich”, korrigierte er in der Hoffnung, damit die Spannung lockern zu können. Er wurde auch tatsächlich belohnt, denn Clay reagierte mit einem kurzen, tiefen Lacher.
“Also?”, fragte Madeline, an ihren Stiefbruder gewandt.
“Also was?”, brummte er mürrisch.
“Wenn du mit deinen Belehrungen fertig bist, können wir mit der Besichtigungstour weitermachen.”
Clay streckte seine riesige Pranke aus, eine, die allerlei Narben und frische Schnitte und Quetschungen aufwies. “Von mir aus. Wenn er lange genug bleibt, sehen wir ja, was er draufhat.”
Hunter drehte sich um und sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an. “Machen Sie sich da mal keine Sorgen.”
“Und was heißt das?”
“Das heißt, dass Sie sich schon mal Gedanken machen sollten, falls Sie irgendwie in diese Sache verwickelt sind.”
Falls Clay überrascht darüber war, dass Hunter sich nicht ins Bockshorn jagen ließ, ließ er es sich nicht anmerken. Er kniff nur leicht die Augen zu und presste die Lippen aufeinander, mehr nicht.
“Ein Glück, dass er in nichts verwickelt ist.”
Allie war hinzugekommen. Sie trat hinter ihren Mann und legte ihm die Hand auf die Schulter, offenbar um ihn zu beruhigen. Diese schlichte Geste war für Hunter der Hinweis, dass Allie hundertprozentig auf Clays Seite stand und ihm den Rücken stärkte. Die Zuneigung in Clays Blick, als er sie bemerkte, zeigte eindeutig, dass für ihn umgekehrt dasselbe galt.
Der Fall entwickelte sich offenbar schwieriger als gedacht. Die Menschen hier hielten zusammen und ließen sich ungern in ihre Karten sehen.
“Na, dann herzlich willkommen in unserer malerischen Südstaatenkleinstadt”, knurrte Clay. Augenscheinlich hatten Klischees doch ihre Berechtigung.
“Er ist tatsächlich nicht involviert”, unterstrich Madeline, womit sie auf Allies Bemerkung zurückkam.
Hunter zog seine Digitalkamera aus der Jackentasche. “Was wäre ich wohl für ein Schnüffler, wenn ich alles für bare Münze nähme?”, fragte er lächelnd.
Madeline verschränkte die Hände, und zwar so krampfhaft, dass die Adern hervortraten. “Sie sind hier, weil gerade Sie ja beweisen sollen, dass Clay schuldlos ist!”
Irrtum, dachte er. Er war vielmehr hier, um zu ermitteln, wer ihren Vater umgebracht hatte. Und im Moment war jeder verdächtig. Das behielt er allerdings für sich. Er schlenderte hinüber zu dem ehemaligen Arbeitszimmer und griff bereits nach der Klinke, als Clays Stimme ihn stoppte.
“Die ist abgeschlossen!”
Er blickte über die Schulter. “Weil …”
“Weil ich das so beschlossen habe.”
“Hör auf damit!” Allie stupste ihren Mann demonstrativ an. “Nehmen Sie es ihm nicht krumm, Mr. Solozano. Weil die Polizei nicht in der Lage war, den Verbleib von Madelines Vater zu klären, wollten sie meinem Mann flugs einen Mord anhängen. Lachhaft! Clay war ja zu dem Zeitpunkt erst sechzehn. Aber Reverend Barker war eben ein allseits beliebter Seelsorger, da verlangten die Bürger von Stillwater nach einem Sündenbock.”
“Ich verstehe”, sagte er.
“Der Raum ist abgeschlossen”, fuhr sie fort, “weil wir ihn nie benutzen. Wir sind ja nur drei Personen – ich, Clay und meine Tochter Whitney. Wir haben genug Platz, und im Winter wird es bitterkalt. Das Zimmer hat keine Heizung.”
“Aha.”
“Mein Vater benutzte immer einen Heizlüfter”, warf Madeline ein. “Und im Fenster war ein Ventilator installiert.”
“Der war schon so alt und klapprig, den hat Clay einfach auf den Müll geschmissen”, fügte Allie hinzu, immer noch in dem Bemühen, das unwirsche Benehmen ihrer besseren Hälfte etwas auszugleichen.
“Aber einen Schlüssel gibt es schon noch?”, fragte Hunter ganz gezielt.
“Irgendwo bestimmt”, gab sie zurück. “Nur, wo genau …”
Zu Hunters Überraschung meldete sich ihr Mann. “In dem Hängeschrank über dem Kühlschrank.”
Allies Zögern verriet Hunter, dass sie diese Auskunft ursprünglich nicht hatte geben wollen. “Oh, dann hole ich ihn mal”, murmelte sie schließlich.
Während sie warteten, beäugten sich die beiden Männer abschätzend. Madeline plapperte nervös weiter. “Das Cabrio sieht richtig klasse aus”, sagte sie. “Und wie läuft die Versteigerung?”
“Besser
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