Totgesagt
als gedacht.” Mit weiteren Einzelheiten rückte ihr Bruder nicht heraus.
“Wann läuft die Frist ab?”
“Morgen Abend.”
“Fällt es dir schwer, ihn abzugeben?”
Jetzt endlich riss er den Blick von Hunters Gesicht los und schaute Madeline an. “Schwer?”
“Ja, es ist ja immerhin eines der seltensten Modelle, die du je hattest.”
“Der nächste wartet schon auf mich.”
“Du steckst immer so viel Arbeit in die Fahrzeuge. Also, ich würde die alle behalten wollen.”
“Mir geht’s in erster Linie ums Schrauben und Restaurieren.”
“Welchen nimmst du dir als Nächstes vor?”
“Den Chevy da hinter dem Traktor.”
“Bitte nicht den Truck!”
“Wird langsam mal Zeit, meinst du nicht auch?”
“Na, ich weiß nicht recht. Ich hab mich so an die alte Rostlaube gewöhnt – ohne die sieht es hier ja dann ganz anders aus.”
Kein Kommentar.
Sie spähte ins Innere des Kleintransporters. “Aber selbst wenn du den wieder auf Vordermann gebracht hast – so viel wie dieses Schätzchen hier ist der bestimmt nicht wert, oder?”
“Nein, ist er nicht.”
“Wozu dann der ganze Aufwand?”
“Möchte mal was anderes ausprobieren.”
Ums Geld ging es ihm nicht, das stand fest. Allerdings wurden nun auch ein paar andere Dinge klar. Erstens trug Clay irgendeine Last auf seinen Schultern, und zweitens: Wenn überhaupt, so lag ihm nur wenig an einer Aufklärung des möglichen Mordes an seinem Stiefvater.
“Wie stehen Sie eigentlich zu Lee Barker?”, fragte Hunter.
Madeline öffnete den Mund, als sei ihr diese spontane Frage unangenehm. Clay hingegen blieb völlig ungerührt. Er blickte Hunter in die Augen, direkt, beinahe trotzig. “An den verschwende ich keinen Gedanken mehr.”
“Und wie war das damals?”
“Wir hatten unterschiedliche Ansichten – falls Sie darauf hinauswollen.”
“Das Übliche halt”, warf Madeline ein. “Die typischen Probleme, wie sie in der Pubertät …”
Hunter hob die Hand. “Lassen Sie ihn bitte selbst antworten.”
Clay verschränkte die Arme vor der Brust. “Hab ich doch schon.”
“Meine Anwesenheit scheint Ihnen nicht besonders zu gefallen.”
“Dachten Sie, ich breche gleich in Jubel aus?”
Mit Sicherheit nicht. Dass Clay ihm nicht über den Weg traute, war unschwer zu erkennen. Vermutlich traute er ohnehin keinem Menschen, von seiner Frau vielleicht abgesehen.
“Haben Sie mir irgendetwas über Ihren Stiefvater mitzuteilen?”, fragte Hunter.
“Nicht wirklich.”
“Clay hat das x-mal über sich ergehen lassen müssen”, erklärte Madeline, offensichtlich heilfroh, dass Allie nun mit dem Schlüssel auftauchte.
Clay nickte seiner Frau knapp zu. Sie schob sich zwischen den beiden Männern hindurch und schloss das ehemalige Arbeitszimmer auf, indem sie zwei Schlüssel benutzte – einen für die Tür, den anderen für den Sicherheitsriegel. Als sie die Tür weit aufstieß, schlug ihnen mit voller Wucht ein muffiger Geruch entgegen.
Hunter versuchte, ihn nicht zur Kenntnis zu nehmen. “Wann haben Sie denn das Sicherheitsschloss einbauen lassen?”
“Habe ich nicht”, brummte Clay.
“Mein Vater hielt das Arbeitszimmer stets verschlossen”, merkte Madeline an.
“Wozu denn?” Hunter konnte sich nicht vorstellen, dass der Reverend irgendwelche Wertsachen in dieser alten Scheune aufbewahrt hatte. Seinen bisherigen Kenntnissen nach besaß Barker kaum etwas, das diese Bezeichnung verdient hätte.
“Als Seelsorger war er in die intimsten Gedanken und Handlungen seiner Gemeindemitglieder eingeweiht”, erklärte sie. “Und seine Aufzeichnungen, die bewahrte er hier auf. Natürlich wollte er verhindern, dass etwas davon nach außen drang.”
Zugegeben, ein Seelsorger war zur Diskretion verpflichtet. Ganz besonders in einer Kleinstadt wie dieser, wo Klatsch und Tratsch leicht ein Leben ruinieren konnten. Aber warum reichte da ein simples Türschloss nicht aus? Wer hätte denn mit Gewalt in das Arbeitszimmer einbrechen sollen?
Während Allie und Madeline das ausgeräumte Zimmer betraten, unterzog Hunter das schwere Sicherheitsschloss einer genaueren Prüfung. “Anscheinend ist Madelines Vater ein sehr vorsichtiger Mensch gewesen”, sagte er zu Clay, der sich nicht von der Stelle gerührt hatte und wieder keinen Ton von sich gab.
“Hier gibt’s nicht viel zu sehen”, meinte Allie. “Clay hat die Kammer vor ein, zwei Jahren völlig auseinandergenommen. Nach achtzehn Jahren …” – sie wandte sich an Madeline, und ihre Stimme
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