Totgeschwiegen
du glaubst, ich denke, sie ist aus dem gleichen Grund wie früher hergekommen. Nur dass sie diesmal ein bisschen wählerischer ist.”
“Wovon redest du überhaupt?”
“Du glaubst doch nicht, dass sie ohne Hintergedanken mit den Söhnen eines wohlhabenden, verwitweten Mannes herumalbert.”
Kennedy fragte sich, wie er es nur so lange in der Gegenwart dieses Manns ausgehalten hatte. “Doch”, stellte er fest. “Genau das glaube ich.”
Joe lachte hämisch. “Ich hätte dich nicht für so naiv gehalten.”
“Sie ist mitgekommen, weil sie gern mit Heath und Teddy zusammen ist”, sagte Kennedy. Natürlich war ihm klar, dass sie auch mitgekommen war, um die Bibel zurückzubekommen, aber das erwähnte er nicht. Ihre Gefühle den beiden Jungen gegenüber waren aufrichtig, das wusste er. Er hatte keine Ahnung, wieso sie sie so leichten Herzens angenommen hatte, aber vielleicht hatte es ja damit zu tun, dass die beiden noch zu jung waren, um von ihr als Bedrohung empfunden zu werden. Die Jungs mochten sie, und sie mochte die Jungs. So einfach war das. Wenn Kennedy sich auf eine rein platonische Freundschaft einlassen würde, wäre sie wahrscheinlich freundlicher zu ihm. Aber er konnte einfach nicht leugnen, dass er sich auch körperlich zu ihr hingezogen fühlte. Selbst wenn er ihr versprach, sie nie mehr anzufassen, würde sie spüren, dass er es gern täte. Und dann wurde er für sie zur Bedrohung.
“Du hast vorhin gesagt, du willst mit ihr ausgehen, wenn wir zurück sind”, sagte Joe.
“Ja, und?”
Joe sah ihn ungläubig an. “Das war kein Scherz?”
Wenn der Kerl doch bloß endlich verschwinden würde! Kennedy wäre viel lieber mit Grace und den Jungs im Wasser, statt mit Joe am Strand herumzusitzen. Aber er wollte sich nicht mit Grace beschäftigen, während Joe dabei zusah. Kennedy zweifelte nicht daran, dass Joe stehenden Fußes zu Otis und Camille eilen würde, wenn er irgendetwas zwischen ihnen bemerken würde, was ihm nicht gefiel. Wahrscheinlich würde er das ohnehin tun. “Vielleicht.”
Joe schien alarmiert. “Das darfst du nicht.”
“Sie war doch erst dreizehn, als ihr Stiefvater verschwand. Tut mir leid, aber ich kann sie mir nicht als Mörderin vorstellen.” Eigentlich, dachte Kennedy, sollte ich den Geschehnissen von damals mehr Gewicht beimessen. Aber er merkte, dass ihn das, was jetzt passierte, viel mehr in seinen Bann zog.
“Und ihr Ruf?”, fragte Joe weiter.
“Sie hat sich geändert.”
Joe dachte kurz nach. “Kennedy, meinetwegen leg sie flach, wenn du es nicht lassen kannst – aber mehr auch nicht. Du hast zu viel zu verlieren.”
“Dein Respekt vor Frauen ist inspirierend”, erwiderte Kennedy trocken.
“Cindy war nicht wie Raelynn, falls du verstehst, was ich meine.”
Cindy war Joes Ex-Frau, aber sie war nicht mal annährend so übel, wie er sie jetzt machte. Soweit Kennedy das beurteilen konnte, hatte sie versucht, das Beste aus ihrer Ehe zu machen. Die meisten Konflikte zwischen ihnen gingen auf Joes Konto. Er hatte ihr Geld verspielt und sie betrogen, wahrscheinlich mehr als einmal.
“Ganz schön heiß hier draußen”, sagte Kennedy, um nicht in ein Streitgespräch hineingezogen zu werden. “Lass uns mal ins Wasser gehen.” Er stand auf, zog sich das T-Shirt über den Kopf und ließ es in den Sand fallen.
Joe erhob sich ebenfalls und packte Kennedy am Arm. “Wenn das mit Grace was Ernstes werden sollte, werden deine Eltern ihr Geld wohltätigen Zwecken hinterlassen.”
“Ich fände es schlimmer, mich zu verleugnen, als enterbt zu werden.”
“Keine Frau ist so viel Geld wert.”
“Hast du nicht eigene Probleme, um die du dich kümmern solltest?”, entgegnete Kennedy.
Joe musterte ihn mit eiskaltem Blick. “Was meinst du denn damit?”
“Buzz sagte, du hättest eine Menge Spielschulden angehäuft.”
Joe reagierte kämpferisch: “Das kriege ich alles in den Griff.”
“Das letzte Mal habe ich dir ausgeholfen, aber ich werde es bestimmt nicht noch mal tun. Wenn dein Vater herausfindet, was du so treibst, werde ich nicht der Einzige bleiben, der enterbt wird. Deshalb schlage ich vor, dass du dich lieber um deine eigenen Angelegenheiten kümmerst.”
“Und deinen Eltern nichts erzähle.”
“Genau.”
Joe schüttelte ungläubig den Kopf und lachte vor sich hin, obwohl die Unterhaltung alles andere als erfreulich war. “Das gibt’s doch gar nicht! Ich werde tatsächlich erpresst, und ausgerechnet von unserem
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