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Townsend, S: Tagebücher des Adrian Mole: Die schweren Jahre

Townsend, S: Tagebücher des Adrian Mole: Die schweren Jahre

Titel: Townsend, S: Tagebücher des Adrian Mole: Die schweren Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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liniertes Papier mit zartem rotem Rand versprach. Ich wurde davon angezogen wie andere Männer von Sexspielzeug im Beate-Uhse-Laden.
    »Noch ein Notizbuch?«, fragte Mrs. Wellbeck. »Was machen Sie damit? Aufessen?«
    »Mr. Mole versucht sich als Schriftsteller«, erklärte Mr. Wellbeck. Alles, was er sagte, klang leicht beleidigend, als machte er versteckte Anspielungen auf meine Kosten.
    »Ich könnte auch ein Buch schreiben über die Arbeit hier«, bemerkte Mrs. Wellbeck. »Sie würden nicht glauben, was wir so alles erleben.«
    Ich habe die Angewohnheit, Menschen wie Mrs. Wellbeck herauszufordern, wenn sie so leeres Geprahle von sich geben. »Warum schreiben Sie dann keins?«
    Mrs. Wellbeck seufzte. »Würde ich ja, wenn ich Zeit hätte.«
    »Wendy schreibt fabelhaft«, sagte Mr. Wellbeck. »Ihre Briefe sind in der Familie berühmt.«
    »Aber ein Buch ist schon eine andere Sache, nicht wahr?«, ließ ich nicht locker. »Ein Buch braucht eine Struktur, eine Handlung, Figurencharakterisierungen.«
    »Ihre Zeichensetzung ist erstklassig«, sagte Wellbeck. »Sie weiß haargenau, wo sie einen Punkt setzen muss.«
    »Dann sollte sie wirklich unbedingt ein Buch schreiben«, sagte ich.
    »Ich hab Ihnen doch gesagt, dass ich keine Zeit habe«, versetzte sie ziemlich gereizt, wie ich fand. Immerhin war ich ein Kunde.
    »Warum nicht? Was machen Sie denn mit den Stunden, in denen Sie nicht arbeiten?«, fragte ich, weil es mich ehrlich interessierte.
    »Acht davon schlafe ich«, meinte sie.
    »Und die restlichen?« Ich konnte nicht aufhören, obwohl ich deutlich merkte, dass unser Gespräch zu einer Auseinandersetzung über die Empfindsamkeit des Künstlers führte.
    »Ich koche, ich putze, ich wasche, ich bügle, ich löse jeden Tag ein Sudoku, ich arbeite im Garten …« In dem Stil ging es weiter.
    Zufällig weiß ich, dass Mrs. Wellbeck mit glühender Begeisterung diverse Soapoperas verfolgt. Schon oft habe ich sie über die Figuren aus EastEnders , Coronation Street und Emmerdale sprechen hören wie über nahe Angehörige.
    »Und Fernsehen?«, fragte ich. »Nimmt das die Zeit in Anspruch, in der Sie sonst schreiben könnten?«
    Mr. und Mrs. Wellbeck wechselten einen Blick. Ertappt. Allerdings empfand ich keine Freude über meinen Sieg, und aus Mitgefühl für Mrs. Wellbeck kaufte ich ein weiteres Spiralbuch für meine Sammlung.
    Auf dem Heimweg überholte ich Mrs. Lewis-Masters mit Leichtigkeit, die sich immer noch mühsam im Regen die Gib bet Lane hocharbeitete. Im Beerdigungstempo lief ich neben ihr her und schützte uns beide mit meinem Schirm vor dem heftigen Wolkenbruch. Sie sah aus, als hätte sie ein klein wenig Angst vor mir, und hängte ihre Handtasche vorsorglich auf die andere Seite ihrer Gehhilfe. Um sie zu beruhigen, begann ich ein Gespräch über die Vorzüge der Blumenampeln, die jedes Haus und jeden Laternenpfahl schmückten. Verächtlich betrachtete sie die Pflanzenkübel. »Wenn ich jünger wäre«, sagte sie dann mit einem Akzent, bei dem sich die Queen gut aufgehoben fühlen würde, »würde ich mich nachts aus dem Haus schleichen und diese grellen Schrecknisse zerstören.«
    Sie blieb vor einigen knallorangefarbenen Blumen stehen, die aus einem grünen Plastiktopf quollen, der an einem Winkelträger an der Mauer des Wellness-Salons Pamper Yourself hing.
    »Was sind das für welche?«, fragte ich.
    »Begonien«, zischte sie. »Scheußlichkeiten, die Margaret Thatcher der Pflanzenwelt. Schrill, herrisch, allgegenwärtig.«
    Ich betrachtete die alte Frau mit ganz neuen Augen. Ich hätte sie ganz klar als Thatcherianerin eingeordnet.
    Bevor wir uns oben am Hügel trennten, wollte ich noch heraus finden, warum sie regelmäßig mit Timbuktu korrespondiert.
    »Wohnen Sie weit weg von hier?«, fragte ich.
    »Nein, das da drüben ist mein Haus.« Sie deutete mit dem Kopf auf einen schmucklosen Backsteinbau auf dem Hügelkamm.
    »Also nicht gerade Timbuktu?«, fragte ich mit gespieltem Lachen.
    »Timbuktu?« Sie hob den Kopf und richtete ihre grauen Augen auf mich. »Warum bringen Sie jetzt Timbuktu ins Gespräch?«
    »Ach«, sagte ich, »das ist nur so eine Redewendung, die mein Vater benutzt, um große Entfernung auszudrücken.« Ich wünschte ihr einen guten Tag und eilte von dannen.
    Als ich nach Hause kam, googelte ich Timbuktu und erfuhr, dass es eine bedeutende Stadt in dem Binnenstaat Mali, dem ehemaligen Französisch-Sudan, ist, wo der Fluss auf die Wüs te trifft. Arabische Stämme brachten früher

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