Toxic: Der Biss - Das Feuer - Die Hölle Thriller (German Edition)
wir wissen, ist sie fast ohne Gepäck im Wald untergetaucht: eine Jeans, ein Paar Turnschuhe, ein Sweatshirt vielleicht. Aber wir hatten uns nach allen Seiten abgesichert. Die Polizei in allen Städten im Waldgebiet jenseits der Grenze in Tennessee war alarmiert, aber Lil wurde nirgends gesichtet. Die meisten meinen, sie hätte sich irgendwo den Knöchel gebrochen und sei dann verhungert, und die Vegetation hätte ihr Skelett überwuchert.«
»Wurde die Akte geschlossen?«
»Sie ist noch offen. Carruthers hatte sie sogar kürzlich noch auf seinen Schreibtisch geholt. Obenauf liegt ein Bericht, der besagt, Lilith Mae Stark sei vermutlich tot, aber die Anklage wurde nicht fallen gelassen.«
»Lilith?«, fragte ich stirnrunzelnd. »Warum haben Sie sie Lilith genannt?«
Wieder zuckte Carlton die Achseln. »Lilith Mae Stark, auf diesen Namen wurde sie getauft. Ich wusste es selbst nicht, bis ich vor ein paar Jahren in Scottsboro die Adoptionsunterlagen sah. Hier in Hattiesburg hat sie aber keiner Lilith genannt. Sie war immer Lil.«
Hier am Fuße des Berghangs, über den Lil Stark ihrer Vergangenheit entflohen war, umgeben von drückend schwüler Luft, blitzte das Bild eines alten Terrakottareliefs auf, das eine nackte Frau auf einem Baum zeigte. Zu ihren Füßen lag ein Drache, Schlangen wuchsen ihr aus dem Kopf. In diesem Augenblick musste ich mich von einer offenbar vorschnellen Annahme verabschieden, die wir bei der Entdeckung des toten Morgan Cook gefasst hatten.
»Es ist kein Mann, der eine Frau als Lockvogel benutzt«, sagte ich schockiert. »Es ist eine Frau, und sie agiert allein.«
»Was?«, fragte Carlton verwirrt.
»So etwas kommt kaum vor, deshalb haben wir diese Möglichkeit gar nicht erwogen.« Fieberhaft ließ ich mir die Einzelheiten der Ermittlungen durch den Kopf gehen. »Sie hatte einen australischen Cowboymantel in ihrem Büro. Sie hat ihn getragen, nicht weil es regnete, sondern um sich als Mann zu tarnen. Sie hat die leuchtend blauen Augen ihres Vaters. Wahrscheinlich färbt sie sich ihre blonden Haare. Sie glaubt daran, dass man ein ganz neues Leben beginnen kann. Das hat sie mir selbst gesagt. Sie roch das Southern Nights, schlüpfte in ihr anderes Ich und hat bei der Tötung dieser Männer auf verquere Weise den Mord an ihrer Mutter reinszeniert. Im Bann der Bibel. Von dieser Frau aus den Apokryphen besessen, die sich gegen Gott auflehnt und es mit Dämonen treibt.«
»Ich kann nicht folgen«, sagte Carlton Lee.
»Eine Serienmörderin«, sagte ich. »Lilith Stark, alias Susan Dahoney.«
70
Am nächsten Morgen um zehn durchsuchten wir Susan Dahoneys Wohnung, die im Stadtteil Bulingame von San Diego lag. Ich war eine Stunde zuvor aus dem Flugzeug gestiegen. Rikko und ich gingen als Erste rein, Jorge und Missy gaben uns Deckung, die Spurensicherung, meine Schwester und Polizeichefin Helen Adler warteten draußen. Das Wohnzimmer und die Küche waren leer. Auf dem Boden stand nur ein Aquarium mit gesprungener Scheibe und der Durchschlag des Mietvertrags für einen Umzugsanhänger, datiert auf Dienstag, den 29.April, dem siebenundzwanzigsten Jahrestag des Mordes an ihrer Mutter. Als Ziel hatte sie »Unbekannt« angegeben.
Im Schlafzimmer fanden wir weitere einschlägige Beweise. Aus den Eindrücken im Teppichboden war zu ersehen, dass Dahoney einen Schreibtisch und einen Aktenschrank im Zimmer gehabt hatte. Die Wand über dem Schreibtisch war mit Dutzenden von Zeitungsausschnitten übersät – über sie und ihr Buch sowie sämtliche Artikel, die über die Schlangenmorde erschienen waren. In vielen Berichten war mein Name mit Leuchtstift hervorgehoben. Neben Brett Tarentinos Kolumne über die Bibelbotschaft am Tatort des Haines-Mordes stand mit schwarzer Tinte notiert: Mal sehen, was Moynihan weiß? Vielleicht kann ich ihm den rechten Weg weisen! Ha-ha!
Ein später erschienener Hintergrundbericht über den Mord an Haines war als Ganzes herausgerissen und an die Wand geheftet worden. In der rechten unteren Ecke der Zeitungsseite, praktisch direkt unter dem Artikel, prangte eine Werbung für den Herrenduft Southern Nights.
Auf weiße Bögen getippt fanden sich auch die ersten beiden Botschaften, die wir auf den Spiegeln an den Tatorten entdeckt hatten: Welch unsagbare Freude, den Tod in Händen zu halten und das Zitat aus der Apostelgeschichte. Darunter stand: #3=Markus? #4=?
»Sieht aus, als würde sie einen neuen Mord vorbereiten«, meinte Rikko.
»Gut möglich«, erwiderte ich
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