Toxin
meinem Chef beschweren. Und damit hat Mr. Cartwright ja auch schon gedroht.«
»Sind Sie sicher?« fragte Kim. »Ich will auf keinen Fall, daß Sie sich in Gefahr begeben. Ehrlich gesagt, würde ich seit dem Zwischenfall bei Mercer Meats lieber davon absehen, Ihre Hilfe weiter in Anspruch zu nehmen. Vielleicht belassen wir es lieber dabei, und ich sehe selbst zu, was ich tun kann. Wenn Sie heute abend wirklich zu diesem Schlachthof fahren, habe ich keine ruhige Minute mehr.«
»Ist ja rührend, wie Sie sich um mich sorgen«, entgegnete Marsha. »Aber ich glaube wirklich, ich sollte es auf einen Versuch ankommen lassen. Man wird mir schon nichts tun, und noch mehr Ärger, als ich sowieso schon habe, können sie mir auch nicht machen. Vielleicht lassen sie mich gar nicht erst rein. Allein können Sie jedenfalls überhaupt nichts unternehmen, denn eins steht fest: Sie würde man garantiert nicht reinlassen.«
»Vielleicht sollte ich Ihren Vorschlag beherzigen und mich um einen Job bemühen.«
»Das war ein Witz«, entgegnete Marsha. »Oder meinen Sie etwa, das hätte ich ernst gemeint?«
»Ich bin zu allem bereit.«
»Ich habe eine Idee. Ich könnte mein Handy mitnehmen und Sie alle fünfzehn oder zwanzig Minuten anrufen. Dann müssen Sie sich keine Sorgen um mich machen, und ich kann Sie über meine Nachforschungen auf dem laufenden halten. Wie finden Sie das?«
»Wäre eine Möglichkeit«, erwiderte Kim wenig begeistert. Doch je mehr er über den Vorschlag nachdachte, desto besser gefiel er ihm. Schließlich verspürte er nicht die geringste Lust, sich um einen Job im Schlachthof zu bemühen. Aber am meisten überzeugte ihn jedoch, daß Marsha in ihrem Vorhaben offensichtlich keine ernsthafte Gefahr zu sehen schien.
»Also!« bekräftigte sie schließlich. »Machen wir es so. Wahrscheinlich werde ich sowieso nicht lange im Schlachthof sein. Wenn ich fertig bin, komme ich zurück und trinke ein Gläschen mit Ihnen - sofern die Einladung noch steht.«
»Natürlich steht sie noch«, versicherte Kim. Er nickte und ging den Plan in Gedanken noch einmal durch. Dann drückte er kurz Marshas Arm und stieg aus. Doch anstatt die Tür zuzuschlagen, beugte er sich noch einmal in den Wagen. »Sie sollten sich aber unbedingt meine Telefonnummer aufschreiben.«
»Oje, das hätte ich fast vergessen.« Marsha kramte einen Kugelschreiber und einen Zettel hervor.
Kim nannte ihr die Nummer. »Ich warte direkt neben dem Telefon. Vergessen Sie nicht anzurufen!«
»Keine Sorge.«
»Viel Glück!«
»Ich melde mich bald«, versprach Marsha. Kim schlug die Tür zu und beobachtete, wie Marsha zurücksetzte, wendete und davonfuhr. Er sah ihr hinterher, bis die roten Rückleuchten in der Nacht verschwunden waren. Dann drehte er sich um und betrachtete sein dunkles, verlassenes Haus. Kein Licht erhellte die düstere Silhouette. Plötzlich lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken. Mit einem Mal war er wieder allein und konnte Beckys Tod nicht mehr verdrängen. Der überwältigende Kummer brach wieder über ihn herein. Er schüttelte verzweifelt den Kopf. Wie zerbrechlich seine Welt doch gewesen war! Noch vor einer Woche waren ihm seine Familie und seine Karriere wie ein Fels in der Brandung erschienen, und jetzt war alles um ihn herum zusammengebrochen.
Bobby Bo Masons Haus war so hell erleuchtet wie ein Spielkasino in Las Vegas. Für die festliche Illuminierung hatte er extra einen Beleuchter vom Theater engagiert. Eine Mariachi-Band sorgte für die musikalische Unterhaltung seiner Gäste; sie spielte auf dem Rasen vorm Haus unter einer Zeltplane. Ein bißchen Regen sollte ihm das Galadiner anläßlich seiner Amtsübernahme nicht verderben.
Bobby Bo war einer der größten Rinderbarone Amerikas. Um dem Bild, das er von sich selbst hatte, und seiner Stellung in der Industrie gerecht zu werden, hatte er sich ein Haus bauen lassen, das in seiner Extravaganz ein Denkmal römischen Kitsches war. In alle Richtungen erstreckten sich Säulenhallen. Über das Grundstück verstreut standen lebensgroße Gipsimitationen römischer und griechischer Statuen. Einige waren sogar in täuschend echt wirkenden Hautfarben angemalt. Livrierte Diener standen in einer Reihe am kreisförmigen Ende der Auffahrt und warteten auf die Ankunft der Gäste. Zwei Meter hohe Fackeln säumten den Weg; sie flackerten und zischten im Nieselregen.
Als hätten sie sich abgesprochen, rollte der Mercedes von Everett Sorenson eine knappe Minute vor Daryl
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