Toxin
war. Da er schon einmal dort war, machte er auch gleich seine Nachmittagsvisite.
Zurück in der Praxis versuchte er vergeblich, den Rückstand wieder aufzuholen. Etliche Stunden später, in denen er zahlreiche Patienten untersucht hatte, gönnte er sich eine kurze Verschnaufpause, bevor er den sogenannten Untersuchungsraum A betrat. Er warf einen Blick auf die Krankenakte und war erleichtert, daß bei seinem nächsten Patienten lediglich die nach jeder Operation anfallende Routineuntersuchung anstand. Damit standen die Chancen gut, daß er schnell mit ihm fertig sein würde. Bei dem Patienten handelte es sich um Phil Norton, und als Kim den Untersuchungsraum betrat, saß er bereits mit nacktem Oberkörper auf der Untersuchungsliege.
»Glückwunsch, Mr. Norton«, begrüßte Kim seinen Patienten und blickte von der Krankenakte auf. »Der letzte Belastungstest hat ganz normale Werte ergeben.«
»Gott sei Dank!« entgegnete Phil.
Danken Sie lieber der modernen Herzchirurgie, dachte Kim, ohne den Gedanken jedoch laut zu äußern. Er bückte sich ein wenig und untersuchte die längs über Phils Brustkorb verlaufende Narbe. Dann palpierte er vorsichtig mit den Fingerspitzen die durch den Heilungsprozeß entstandene Schwellung. Diese Art der Beobachtung und Abtastung erlaubte es ihm, Rückschlüsse auf den inneren Zustand der Wunde zu ziehen. »Die Narbe sieht hervorragend aus«, stellte Kim fest und richtete sich wieder auf. »Von mir aus können Sie für den Boston Marathon trainieren.«
»Das muß wohl nicht gerade sein«, entgegnete Phil und lachte. »Aber auf dem Golfplatz würde ich mich im nächsten Frühjahr schon gerne wieder blicken lassen.«
Kim klopfte seinem Patienten auf die Schulter und schüttelte ihm die Hand. »Machen Sie’s gut! Aber vergessen Sie nicht, auch weiterhin gesund zu leben und die kleinen Regeln einzuhalten, die ich Ihnen mit auf den Weg gegeben habe.«
»Keine Angst«, versprach Phil. »Ich habe alles gelesen, was Sie mir mitgegeben haben. Und ich habe mir die Ratschläge wirklich zu Herzen genommen. Ich werde bestimmt nie wieder eine Zigarette anfassen.«
»Denken Sie auch daran, Diät zu halten und sich ausreichend zu bewegen!« riet Kim.
»Das tue ich ganz gewiß«, versicherte Phil. »Schließlich will ich nicht ein zweites Mal bei Ihnen auf dem OP-Tisch landen.«
»So schlimm war es ja nun auch wieder nicht«, entgegnete Kim.
»Nein«, stimmte Phil ihm zu. »Aber mir war trotzdem ziemlich mulmig zumute.«
Kim klopfte ihm noch einmal aufmunternd auf den Rücken, kritzelte schnell ein paar Notizen in die Akte und verließ den Untersuchungsraum. Er überquerte den Flur und steuerte auf Untersuchungsraum B zu, doch zu seiner Überraschung steckte keine Patientenakte in der Halterung an der Tür. »Mr. Norton war Ihr letzter Patient«, erklärte Cheryl, die plötzlich hinter ihm stand.
Kim drehte sich um und lächelte seine Arzthelferin an. »Gut«, sagte er und fuhr sich müde mit der Hand durch sein zerwühltes Haar. »Wie spät ist es eigentlich?«
»Schon nach sieben«, erwiderte Cheryl. »Danke, daß Sie so lange geblieben sind«, sagte Kim. »Nichts zu danken«, entgegnete Cheryl. »Ich hoffe, Sie bekommen wegen Ihrer ständigen Überstunden keinen Ärger mit Ihrer Familie.«
»Das ist kein Problem«, erklärte Cheryl. »Ich habe mich schon daran gewöhnt, und mein Mann auch. Wenn ich länger arbeite, holt er unseren Sohn aus der Kindertagesstätte ab.« Kim drehte sich um, ging in sein Privatbüro und ließ sich in den Schreibtischsessel fallen. Vor ihm türmten sich unzählige Telefonanfragen, die er alle noch beantworten mußte, bevor er nach Hause gehen konnte. Er rieb sich die Augen. Obwohl er erschöpft war, fühlte er sich innerlich aufgedreht. Wie immer hatte sich der Streß des Tages in ihm aufgestaut. Am liebsten hätte er mal wieder Tennis gespielt. Vielleicht sollte er auf dem Nachhauseweg am Fitneßcenter anhalten und sich ein bißchen auf dem Stairmaster austoben.
Die Tür ging auf, und Ginger steckte ihren Kopf durch den Spalt.
»Tracy hat gerade angerufen«, verkündete sie leicht gereizt. »Was wollte sie denn?« fragte Kim.
»Das hat sie mir nicht verraten«, erwiderte Ginger. »Sie hat nur gesagt, daß sie zurückgerufen werden möchte.«
»Und warum bist du sauer?«
Ginger seufzte und verlagerte ihr Gewicht. »Sie ist immer so unhöflich. Dabei gebe ich mir wirklich Mühe, freundlich zu ihr zu sein. Ich habe sie sogar nach Becky gefragt.«
»Und
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