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Toxin

Toxin

Titel: Toxin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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haben.«
    »Beantworten Sie verdammt noch mal meine Frage!« fuhr Kim sie an.
    Dr. Morgan seufzte resigniert. Sie hatte gehofft, Kim hätte die beunruhigenden Einzelheiten von sich aus lieber nicht hören wollen. Da er aber unbedingt Bescheid wissen wollte, blieb ihr keine Wahl. Sie räusperte sich. »Pro Jahr sterben etwa zweihundert bis fünfhundert Menschen an E. coli O157:H7. Vor allem trifft es Kinder, und normalerweise ist das hämolytisch-urämische Syndrom die Todesursache.«
    Kim brach der Schweiß aus. Er war sprachlos vor Entsetzen. »Zweihundert bis fünfhundert Todesfälle pro Jahr«, stammelte er schließlich. »Das ist ja unglaublich. Und ich habe noch nie etwas von diesem Syndrom gehört.«
    »Wie ich schon sagte«, entgegnete Dr. Morgan. »Die Zahlen beruhen auf Schätzungen des Gesundheitsamtes.«
    »Aber warum ist die Krankheit so wenig bekannt, wenn die Mortalitätsrate so hoch ist?« fragte Kim. Er hatte die seelischen Belastungen medizinischer Probleme schon immer am besten durch eine Intellektualisierung verarbeiten können. »Das kann ich Ihnen nicht beantworten«, erwiderte Dr. Morgan. »Ein paar der an diesem speziellen Bakterienstamm erkrankten Fälle haben hohe Wellen geschlagen. Denken Sie nur an den Skandal um die verseuchten Jack-in-the-Box-Hamburger 1992 und den Fleischrückruf bei Hudson Meat im Sommer 1997. Warum gerade diese Fälle für Aufsehen gesorgt haben, ist mir allerdings ziemlich schleierhaft.«
    »An die Geschichten erinnere ich mich auch«, sagte Kim. »Ich bin wohl einfach davon ausgegangen, daß die Regierung und das Landwirtschaftsministerium sich um die Sache kümmern würden.«
    Dr. Morgan lachte einmal zynisch auf. »Genau darauf haben das Landwirtschaftsministerium und die Fleischindustrie gesetzt, da können Sie Gift drauf nehmen.«
    »Befallen die Erreger vor allem Rindfleisch?« fragte Kim. »In erster Linie Gehacktes«, erwiderte Dr. Morgan. »Gehacktes, das nicht ausreichend durchgebraten wird. Aber in ein paar wenigen Fällen waren auch andere Lebensmittel schuld, wie etwa Apfelsaft und Cidre oder nicht pasteurisierte Milch. Hauptursache einer Verseuchung ist der Kontakt mit den Fäkalien infizierter Kühe.«
    »In meiner Kindheit hat es das Problem offenbar noch nicht gegeben«, bemerkte Kim. »Ich habe ständig Hamburger mit rohem Gehackten gegessen.«
    »Die Erreger gibt es in der Tat noch nicht sehr lange«, bestätigte Dr. Morgan. »Man geht davon aus, daß sie zum ersten Mal in den späten Siebzigern in Erscheinung getreten sind, vielleicht in Argentinien. Angeblich hat ein Shigella-Bakterium einem Escherichia-coli-Bakterium die notwendige DNA zur Bildung eines shigella-ähnlichen Toxins übertragen.«
    »Genau. Die sexuelle Reproduktion findet bei Bakterien durch Konjugation statt, ein Mechanismus zur Übertragung von genetischem Material. In diesem Fall war die Sache allerdings etwas merkwürdig gelagert, denn normalerweise gibt es so eine Konjugation nur innerhalb einer Spezies. Am überraschendsten aber war, daß sich dieser neue Stamm von E. coli sofort nach seiner Entstehung in einem Wahnsinnstempo auf dem gesamten Globus ausgebreitet hat. Heute ist er in etwa drei Prozent der Rindergedärme vorhanden.«
    »Erkranken die infizierten Rinder?« fragte Kim. »Nicht unbedingt«, erwiderte Dr. Morgan. »Sie können eine Art Rinderdiarrhoe bekommen, aber im allgemeinen scheinen sie, zumindest was ihr Organsystem angeht, gegen das Toxin weitgehend immun zu sein.«
    »Seltsam!« staunte Kim. »Und aberwitzig! Als die Molekularbiologie noch in den Kinderschuhen steckte, hat man, wie ich mich erinnere, den Teufel an die Wand gemalt, was alles passieren könnte: zum Beispiel daß ein Forscher das Kolibakterium in die Lage versetzen könnte, das Botulismus-Toxin zu bilden, und daß diese manipulierten Bakterien dann womöglich unbeabsichtigt in die Natur gelangen würden.«
    »Ein guter Vergleich«, entgegnete Dr. Morgan. »Vor allem wenn man bedenkt, daß E. coli O157:H7 wahrscheinlich nicht von selbst, sondern durch Zutun des Menschen entstanden ist.«
    »Inwiefern?« fragte Kim.
    »Ich bin davon überzeugt, daß die heutzutage üblichen, intensiven Ackerbau- und Viehzuchtmethoden für die Entstehung von E. coli O157:H7 verantwortlich sind«, erklärte Dr. Morgan. »Die ständig wachsende Nachfrage nach billigem Protein zur Verfütterung an die Tiere hat den Weg für kreative, aber auch ekelerregende Lösungen freigemacht. Kühe bekommen verendete Tiere zu

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