Tränen aus Feenstaub
enttäuscht. Er hatte extra gewartet, um ihr davon zu berichten und nun zeigte sie gar kein Interesse an dieser Nachricht. Er würde sich in Zukunft ein dankbareres Publikum für seine mühsam zusammengetragenen Informationen suchen. Viellicht den Jungen auf Zimmer 303? Der sah so aus, als ob man ihn mit so etwas beeindrucken könnte.
„Bin weg!“ teilte er Pina nur kurz mit, eilte davon und überlegte schon auf dem Weg nach draußen, wie er seine Neuigkeiten noch spannender aufbereiten konnte.
Pina war erleichtert, als er ging. Mit ihrem kaum überstandenen Fieber waren ihr solche Geschichten einfach zu viel. Den Rest des Nachmittags verbrachte sie halb schlafend, halb wachend. Und die folgende Nacht ging dank Medikamente ohne verwirrende Träume vorüber.
* * *
Am nächsten Morgen fühlte sich Pina für ihre Verhältnisse sehr gut. Das Fieber hatte sie vollständig überstanden und ihr Appetit war auch wieder da.
Dass die vergangene Nacht traumlos verlaufen war, bestärkte sie darin, dass die Traumgestalt Finn wirklich ein Produkt ihrer lebhaften Vorstellungskraft war. Was sie einerseits erleichterte, anderseits aber auch bedauerte.
Durch die Streitgespräche mit dem Biker hatte sie sich lebendig gefühlt. Er verlieh ihren Träumen mehr Wirklichkeit und alles fühlte sich somit viel realer an. Aber es war auch ein bisschen beängstigend. Denn Pina musste sich auch fragen, ob sie langsam die Bodenhaftung verlor und verrückt wurde.
Aber jetzt, nach einer erholsamen Nacht, war sie sich sicher, doch noch normal zu ticken. Und sie war voller Tatendrang. Also nahm sie sich Dagmars Geburtstagsgeschenk vor, um daran weiterzuarbeiten. Ihr blieben nur noch wenige Tage, der Zeichnung den letzten Schliff zu verleihen.
So setzte sich Pina gleich nach dem Frühstück an den Tisch, zog das halbfertige Bild aus einer Zeichenmappe und legte sich den Faschingsglitter zurecht. Für Dagmar als Fee, mischte Pina weißen und silbernen Glitter zusammen. Dann rieb sie vorsichtig mit der Spitze des Zeigefingers über die Stelle des Bildes, die sie betonen wollte. Es klappte ganz gut und der Effekt war so, wie sie es sich vorgestellt hatte.
Die Mangafee wirkte mit dem Glitter wirklich, als ob sie sich in einer Zauberwelt befände. Pina musste unbedingt daran denken, Severin für diesen Tipp gebührend zu danken. Ohne ihn wäre das Bild nicht so schön geworden.
Das Einzige, was jetzt noch fehlte, war die Fixierung mit dem Haarspray, damit der Glitter dort blieb, wo er hingehörte. Aber bevor sie diesen letzten Kunstakt ausführen konnte, traf Besuch ein.
„Hey! Was machst du da?“, fragte sie eine vertraute Stimme.
„Sevi! Wo kommst du denn schon so früh her? Lässt du die erste Stunde ausfallen?“
Severin kam näher und stützte sich von hinten auf Pinas Stuhllehne ab. Dann blickte er ihr neugierig über die Schulter.
„Irgendwie schon. Wir hätten jetzt Sport, eigentlich Schwimmen. Aber auf das Chlorwasser bekomme ich Ausschlag, deshalb bin ich vom Schwimmen befreit“, erklärte er abwesend, während er intensiv auf Pinas Zeichnung starrte.
„Das ist ja sogar noch besser geworden, als ich es mir vorgestellt hatte“, bemerkte Severin anerkennend.
„Für die Idee mit dem Glitter muss ich mich bei dir bedanken! Das sieht jetzt wirklich aus, als ob sie in einer Wolke aus Feenstaub schweben würde.“
Pina wandte sich halb zu Severin um, um zu sehen, ob er sich über ihren Dank freute. Der sah noch immer fasziniert auf die Zeichnung, worüber Pina lächeln musste. Dann machte sie eine Geste, die völlig überflüssig war. Aus reiner Gewohnheit wollte sie sich die Haare aus dem Gesicht streichen. Aber das Einzige, worauf sie traf, war ihre Wollmütze.
Verlegen versuchte sie das zu überspielen, indem sie sich die Augen rieb, so als ob sie müde wäre. Aber das erwies sich als Fehler, wie sie schnell feststellte. Denn sie hatte den Glitter vergessen, der noch an ihren Fingern haftete. Durch die unbedachte Bewegung bekam sie kleine Glitterpartikel in die Augen.
„Oh, verdammt!“
„Was ist los?“, fragte Severin alarmiert.
Pina hielt ihre Hände von sich weg und widerstand dem Drang, ihre Augen zu reiben.
„Ich habe Glitter in die Augen bekommen!“, erklärte sie ungeduldig. „Such nach einem Handtuch und mach eine Ecke davon nass“, wies sie ihren Schulfreund an.
Severin ließ sich nicht lange bitten und lief in den angrenzenden Waschraum. Hier nahm er ein Handtuch vom Haken und feuchtete eine Ecke
Weitere Kostenlose Bücher